Höheres Frauenrentenalter? Zuerst gleiche Löhne!

Von Cécile Bühlmann

Einmal mehr steht der Schweizer liebstes Sozialwerk politisch zur Debatte, obwohl laut einer Studie der Universität Zürich nur gut 30 Prozent Reformen für dringend notwendig halten und weit über die Hälfte der Schweizer Stimmbevölkerung den Reformbedarf in der Altersvorsorge als nicht dramatisch einschätzt. Zudem halten fast zwei Drittel der Befragten Leistungskürzungen für nicht akzeptabel; sie möchten die Altersvorsorge eher durch Mehreinnahmen sichern.

Die Studie kommt auch zum erstaunlichen Schluss, dass die Erhöhung des Frauenrentenalters quer durch alle Parteilager populär sei. Dagegen erheb ich Einspruch! Es ist ja nicht das erste Mal, dass die Sanierung der AHV auf Kosten der Frauen gehen soll. Bisher wurden die Versuche, das Frauenrentenalter zu erhöhen, erfolgreich verhindert. Jetzt kommt eine neue Auflage: Die ständerätliche Sozialkommission hat noch kurz vor den nationalen Wahlen ein Sanierungspaket vorgelegt, das genauso wie die bundesrätliche Version die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre fordert.

Wenn ich mich trotz des offenbar stattgefundenem Stimmungswandel immer noch schwer damit tue, hat das ganz handfeste Gründe: Tatsache ist, dass Frauen immer noch rund 20 Prozent weniger verdienen als Männer und dass die Lohnunterschiede nur langsam abnehmen. Wenn es im gleichen Tempo weitergeht, dauert es noch 65 Jahr bis zur Lohngleichheit! Tatsache ist ebenfalls, dass mehr als ein Drittel der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männer nicht mit „objektiven“ Merkmalen wie Ausbildung oder beruflicher Stellung erklärt werden können, sondern direkt auf Diskriminierung zurückgehen. Die Schweiz belegt im internationalen Vergleich der Lohnungleichheit einen hinteren Rang. Im Klartext bedeutet das, dass Frauen bei vergleichbarer Arbeit jeden Monat fast 700 Franken weniger verdienen als ihre Kollegen. Das sind mehr als 8000 Franken, die den Frauen Jahr für Jahr in der Haushaltskasse und später für die Berechnung der Rente fehlen! Zusammengezählt entgehen den Frauen damit jedes Jahr einzig aufgrund ihres Geschlechts 7,7 Milliarden Franken.

Und nun will man uns die Erhöhung des Frauenrentenalters mit dem Argument der Gleichstellung zwischen Männern und Frauen verkaufen! Ich finde das angesichts der real existierenden Lohn-Ungleichheit ziemlich dicke Post! Man stelle sich einmal vor, was das für ein ganzes Frauenleben ausmacht, wenn jedes Jahr 8000 Franken weniger auf dem Lohnkonto landen als bei Männern mit vergleichbaren Tätigkeiten! Da ist es doch nicht mehr als ein kleines Zeichen der Wiedergutmachung, wenn Frauen ein Jahr früher in Rente gehen können. Diese ist ja ohnehin auf Grund der tieferen Löhne auch das ganze restliche Leben lang tiefer als die der Männer. Von der jahrelangen Doppelbelastung der Frauen durch ihr viel grösseres Engagement in Familie und Haushalt will ich gar nicht reden.

Wenn einmal alle diese Ungerechtigkeiten aus der Welt geschafft sind, bin ich die erste, die aus Überzeugung das gleiche Rentenalter fordert. Aber davon sind wir noch Jahre entfernt und ich fürchte, dass ich das nicht mehr erleben werde …

24. September 2015