Wenn Dienstleistungen leuchten

Von Judith Stamm

Was hält eine Stadt zusammen? Es sind die Dienstleistungen, die erbracht werden. Wir nehmen sie in Anspruch. Wir bezahlen dafür. Wir könnten trotzdem hie und da eine besondere Anerkennung oder ein Dankeschön aussprechen.

Dass ich von der Stadtgärtnerei begeistert bin, habe ich schon mehrfach geäussert. Aber ich wiederhole es immer wieder. Deren „Dienstleistungen“ leuchten ja gerade in der Sommerzeit in allen Farben!

Aber auch das Strasseninspektorat ist so eine segensreiche Einrichtung. Die Arbeitskleidung der Männer leuchtet ebenfalls, in Orange. Und ihre Arbeitswagen sind immer blitzblank geputzt. In aller Frühe sammeln sie die Abfallsäcke ein. Nach Veranstaltungen, aber auch an gewöhnlichen Tagen, räumen sie den Unrat von den Strassen weg. Sie verblüffen durch die Effizienz der täglichen Aufgabenerfüllung.

Am Sonntagmorgen kreuzt sich mein Weg manchmal mit einem Mitarbeiter der Frühschicht. Er parkiert seinen Arbeitswagen an meinem Weg zum Kaffeeschwatz und wir wechseln kurz ein Wort. So früh wie er möchte ich nicht aufstehen müssen. Aber er ist sichtlich stolz auf seine Arbeit. Er hat eine kleine Familie mit einer einjährigen Tochter. Und dafür ist er bereit, jeden Einsatz zu leisten. Das vermittelt er durch seine gute Laune!

Ein Beispiel an Nervenstärke können wir uns an unseren Buschauffeuren nehmen, besonders während den Stosszeiten. Pünktlichkeit ist ihr oberstes Gebot.

Da kann es zum Konflikt kommen mit meinen Wünschen, gerade diesen Bus doch noch zu erreichen. Wenn es mir gelingt, mit einem charmanten Lächeln die Frontscheibe zu durchdringen, bedanke ich mich, was meistens mit einem belustigten Schmunzeln quittiert wird. Aber ich kann es auch verstehen,, wenn die Chauffeure nicht immer auf alle alten Damen, die noch im Anmarsch sind, warten wollen!

Und dann habe ich gelesen, dass unser Masterplan WC-Anlagen in den nächsten fünf Jahren unter dem Namen „Nette Toilette“ verwirklicht werden soll. Nur, es sollen auch „gebührenpflichtige Anlagen“ geprüft werden. Das allerdings werden die Benutzerinnen und Benutzer dann weniger „nett“ finden. Und ein berauschendes Tempo der Erneuerung wird sich bei einer Planung auf fünf Jahre auch nicht ergeben. Aber dieser Masterplan hatte eine so lange Vorgeschichte, jede Frage oder Kritik wäre zuviel. Wir sagen nur noch: „Freude herrscht“!

Diese Dienstleistungen werden erbracht und werden bezahlt. In ihnen liegt ein grosses Potenzial. Für die Benutzerinnen und Benutzer besteht die Möglichkeit, den Steuerfranken, der da investiert ist, aufzurunden durch ein freundliches oder anerkennendes Wort, durch ein ausgesprochenes Dankeschön.

Die Stadt ihrerseits kann durch die Art, wie die Dienstleistungen erbracht werden, ein Gefühl der Sicherheit, der Zufriedenheit, der Dankbarkeit schaffen. Und das bewirkt einen Goodwill, wie er mit Hochglanzprospekten und genialen Slogans kaum erreicht werden kann!
24. Juni 2015

Zur Person
Judith Stamm, geboren 1934, aufgewachsen und ausgebildet in Zürich, verfolgte ihre berufliche und politische Laufbahn in Luzern. Sie arbeitete bei der Kantonspolizei und bei der Jugendanwaltschaft, vertrat die CVP von 1971 - 1984 im Grossen Rat (heute Kantonsrat) und von 1983 - 1999 im Nationalrat, den sie 1996/97 präsidierte. Sie war 1989 - 1996 Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen und 1998 - 2007 Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft.