„Zuwanderung“

von Judith Stamm, Luzern

Da reden wir uns die Köpfe heiss und tippen uns die Finger wund über das Thema „Zuwanderung“. Schadet sie unserem Lande mehr als sie nützt, fragen wir uns. Belastet sie unsere Infrastruktur mehr als sie uns einbringt? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Dabei geht es immer um die Zuwanderung von Menschen, Personen, Arbeitskräften. Was mich schon lange sehr verwundert, ist das Fehlen einer ernsthaften Diskussion über die Zuwanderung von Kapital in unser Land. Auch diese ist ja ungebrochen.

Wenn ich hier in Luzern zum Hotel Gütsch hinauf schaue, dann sitzt dort ein Russe. Natürlich nicht in Person. Aber das Hotel gehört ihm, dem Vernehmen nach von der UBS an ihn verkauft. Offenbar an einen Gutbietenden oder vielleicht sogar an den Meistbietenden, einfach abgestossen. Da thront also „internationales Kapital“ über der Stadt Luzern. Und bewirkt, im Augenblick wenigstens, nichts als Ärger durch uneingelöste Versprechen, was Umbau und Neubau des Hotels und Renovation der Gütschbahn anbelangt. Wenn ich auf den Bürgenstock blicke, begegne ich den Arabern.  Die Investoren wechseln zeitweise so rasch, dass es mir gar nicht mehr gelingt, mir zu merken, wes Geldes Macht dort aktuell das Sagen hat. Wenn wir einander beim Morgenkaffee fragen, wer denn jetzt die Hotels  auf dem Bürgenstock besitze, endet das meist in einem Rätselraten. Wenn ich mit dem Schiff Richtung Hertenstein – Weggis - Vitznau fahre, dann „arbeitet“ hier österreichisches Geld. Das Hotel Hertenstein ist auferstanden, vom Schiff aus apart und attraktiv anzusehen. Und auch Vitznau nennt ein aufwändig renoviertes Schmuckstück sein eigen. Es gab Gerüchte über nicht oder zu spät bezahlte Handwerkerlöhne, aber lassen wir das. Und wenn dann über den See der Kanton Uri grüsst, ja dann steigt aus dem Dunst des Wassernebels das sympathische Gesicht des Ägypters Samih Sawiris, der in Andermatt Entwicklungshilfe leistet. Möge ein guter Geist dieses „abenteuerliche Projekt“ bis zur Fertigstellung und lange Jahre darüber hinaus begleiten! Die Aufzählung kann fortgesetzt werden. Chinesisches Geld wurde in Engelberg und auf der Frutt platziert. Ebenfalls sollen chinesische Angebote für die Übernahme der Gruppe Victoria- Jungfrau Collection (VJC) bestehen. Chinesisches Geld sucht weltweit Plätze und Plätzchen, um sich einzunisten und nieder zu lassen. Und auch unser Land gehört zu dieser „Welt“.

Das Wort „Zuwanderung“ benützen wir für Personen. Für Geld würde wohl das Wort „Unterwanderung“ besser passen. Das eine sehen wir und regen uns aktuell darüber auf. Das andere, ja das andere könnten wir auch sehen, wenn wir wollten. Es scheint ,dass wir diese Vorgänge lieber verdrängen.

Und jetzt kommt, wie die rote Kirsche auf dem weissen, geschlagenen Rahm, noch eine ganz besondere Spielart dazu. Gemäss Medienberichten will die schwedische Firma „Saab“, welche ein Interesse am Ausgang der Volksabstimmung über die Anschaffung des Flugzeuges Gripen hat, dem Pro-Komitee Geld zukommen lassen. Höhe der Summe unbekannt. Ausländisches Geld soll also auch unsere direkte Demokratie nähren, beflügeln, in Schwung bringen.

Ja, wie hiess doch der treffende Spruch aus unserer schweizerischen Söldnervergangenheit: „Point d`argent, point de Suisses“! Besser kann es nicht ausgedrückt werden!

Zur Person
Judith Stamm, geboren 1934, aufgewachsen und ausgebildet in Zürich, verfolgte ihre berufliche und politische Laufbahn in Luzern. Sie arbeitete bei der Kantonspolizei und bei der Jugendanwaltschaft, vertrat die CVP von 1971-1984 im Grossen Rat (heute Kantonsrat) und von 1983-1999 im Nationalrat, den sie 1996/97 präsidierte. Sie war 1989 -1996 Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen und 1998 - 2007 Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft und deren Rütlikommission. Heute geniesst sie ihren Ruhestand in Luzern.