Irma Ineichen-Meier: Malen als altersloser Lebensinhalt

Von Hans Beat Achermann (Text und Bild)

Am 2. November um 18 Uhr ist in der Kornschütte Vernissage mit Bildern und Objekten von fünf Luzerner Künstlerinnen. Die Ausstellung mit Werken von Irma Ineichen, Marion Schärer, Irène Wydler, Johanna Näf und Dora Wespi beschliesst den Vortragszyklus „Lebensreise“, den die Fachstelle für Altersfragen der Stadt Luzern dieses Jahr durchgeführt hat. Der Untertitel „Kreativität  – Weiblickeit – Alter“ wird im Werk der fünf weitherum anerkannten Künstlerinnen visuell umgesetzt.  Hans Beat Achermann, der die Ausstellung kuratierte, hat mit den fünf Künstlerinnen, alle über 70, ein Interview geführt, das den Bogen von den Anfängen bis zum jetzigen Schaffen spannt. Die Interviews mit Abbildungen und Porträts sind abgedruckt im Katalog, der zur Ausstellung erscheint (siehe unten). Als Vorabdruck publizieren wir hier das Gespräch mit der 88jährigen Malerin Irma Ineichen-Meier.

Was fällt dir spontan zu deinen Anfängen als Künstlerin ein?
Ich hatte schon als Kind das Bedürfnis, eine eigene Welt zu schaffen, anfänglich durch Bastelarbeiten. In Erinnerung ist ein Besuch als Zehnjährige an der Landi 1939. Nach der Rückkehr nach Wolhusen baute ich einen Pavillon nach. Auch Puppenstuben entstanden nach meiner Vorstellung. Gestalten war meine Möglichkeit, ganz bei mir zu sein. Wie ich mich durchgesetzt habe, dass ich dann mit knapp 16 nach Luzern an die Kunstgewerbeschule kam – das weiss ich nicht mehr genau. Sicher war dann an der Schule der Einfluss von Max von Moos gross. Gleich nach Abschluss der Kunstgewerbeschule als Grafikerin zog ich nach Paris, das seit 1950 eine zweite künstlerische Heimat ist. Die Anfänge waren auch durch grosse Entbehrungen geprägt, durch materielle Unsicherheit und gesundheitliche Probleme.

Was hattest du für Ziele als Künstlerin?
Ich wollte einfach künstlerisch tätig sein und ich hatte den Willen, unbedingt nach Paris zu gehen. Anfänglich konnte ich im Atelier von Adolf Herbst leben und arbeiten, wenn er nicht anwesend war, später konnte ich ein eigenes winzig kleines Dachzimmer mit Balkon erwerben, das ich immer noch besitze und das immer wieder Inspiration ist für meine Bilder. Es war immer mein selbstverständlicher Lebensinhalt, Erlebtes in Bildern auszudrücken, auch nach der krankheitsbedingten Rückkehr aus Paris. Malen gab und gibt mir eine grosse innere Befriedigung.

Kannst du rückblickend in deinem Schaffen eine Kontinuität entdecken oder gibt es Brüche und weshalb?
Es gibt beides: Viele Themen sind dieselben geblieben, zeigen sich aber in verändertem Ausdruck. Innenräume, Räume überhaupt, Landschaften, besonders Bäume und Wasser. Daraus entstehen auch eigentliche Bilderreihen, manchmal parallel. Oft waren die Themen durch äussere Umstände oder Ereignisse geprägt, zum Beispiel durch eine Japan-Reise, durch eine schwere Krankheit, durch die Aufenthalte in Paris oder im Tessin. Es gibt wohl Zäsuren, wie die Familiengründung und die Geburt der Kinder, aber seit über 70 Jahren ist die Passion ungebrochen. Es war mir immer wichtig, mein eigenes Atelier zu haben, anfänglich zuhause, später in der Altstadt und seit 17 Jahren im Tribschenquartier und bis heute bin ich jährlich mehrmals in meinem Atelier in Paris.

Erkennst du so etwas wie Epochen in deinem Werk?
Es gibt – je nach Lebensabschnitten – verschiedene Epochen in meinem Werk: die frühe Paris-Zeit von 1951 bis 1955 mit Bildern vom Atelier, von Räumen, Bilder von Paris mit Häusern, Parks, Häuserfronten mit Bäumen. Dann gibt es auch eine dunklere, von Krankheit beschattete Zeit, die sich in dunkleren Farben äussert. Später entstanden Traum- und Kästchenbilder, die eine Wanderung durch „surreale“, erlebte, geträumte oder vorgestellte Welten wiedergeben. Eine lange Werkreihe umfasst Japan-Bilder. Sie zeigen Erlebtes und Visionen von Japan-Reisen. Die neusten Bilder stellen vor allem wieder Interieurs und grosse, mehr imaginäre Landschaften dar.

Wie hat sich in deinen Augen dein Schaffensprozess mit den Jahren und mit dem Älterwerden verändert? Gibt es so etwas wie ein Alterswerk?
Ich habe das Gefühl, dass in meinen jetzigen Werken die Farbe freier fliesst. Die Farben mischen sich mit mehr Präzision. Die Bilder wurden so vielleicht  durchscheinender. Eine zunehmend grosse Rolle spielt das Licht. Immer wichtiger wird auch die Tiefe des Werks, das Eindringen in Bereiche, die nur mit Farbe oder schwarzweiss ausgedrückt werden können. Der Raum im Bild wird dadurch noch spürbarer. Vielleicht ist die grössere innere Ruhe auch Ausdruck des Älterwerdens. Ein eigentliches Alterswerk gibt es nicht. Ganz grundsätzlich denke ich, dass alle tiefgreifenden Erlebnisse, Erfahrungen, Veränderungen im Leben auch Spuren im künstlerischen Schaffen hinterlassen.

Denkt man als Künstlerin auch mal ans Aufhören?
Ans Aufhören denke ich nicht. Vielleicht werden die Möglichkeiten kleiner, so dass ich irgendeinmal nicht mehr nach Paris gehen kann. Und es stellen sich vermehrt auch Fragen und Zweifel: Was passiert einmal mit dem Werk? War es sinnvoll? Konnte ich etwas Wesentliches, Gültiges ausdrücken, durch meine Bilder etwas mitteilen?

Irma Ineichen wurde 1929 als Irma Meier in Wolhusen LU geboren. 1946 bis 1951 besuchte sie u. a. als Schülerin von Max von Moos die damalige Kunstgewerbeschule Luzern, die sie mit dem Grafikdiplom abschloss. Es folgte ein mehrjähriger Paris-Aufenthalt, u. a. im Atelier von Adolf Herbst. 1956 bis 1960 lebte und arbeitete sie in Luzern und Paris. 1960 Heirat mit dem Architekten Hannes Ineichen, Umzug nach Boswil. Seit 1962 lebt sie mit ihrer Familie wieder in Luzern und immer wieder in Paris. Studienreisen führten sie u. a. nach Algerien, Jordanien, Japan und in den Iran. Irma Ineichen wurde vielfach ausgezeichnet, so 1973 mit dem Anerkennungspreis und 1988 mit dem Kunstpreis der Stadt Luzern.

Der 36seitige Katalog „Lebensreise“ ist für 8 Franken in der Kornschütte-Ausstellung erhältlich. Die Ausstellung dauert vom 3. bis zum 19. November. Der Katalog kann auch bei der Fachstelle für Altersfragen per Mail bestellt werden für 8.-- plus Portokosten: simone.app@stadtluzern.ch.