
Margrit Schriber (86) liest in der ZHB aus ihrem Roman «Die Stickerin», in dem es (auch) ums Erben geht.
Kurioser Erbstreit im Appenzell
Es war eine weitere Facette im diesjährigen Lebensreise-Zyklus der städtischen Fachstelle für Alterfragen, der unter dem Motto «Facetten des Erbe(n)s» läuft: die Lesung und das Gespräch mit der 86-jährigen gebürtigen Luzerner Schriftstellerin Margrit Schriber in der Zentral- und Hochschulbibliothek ZHB.Von Hans Beat Achermann (Text und Bild)
Ihr zuletzt Roman «Die Stickerin» handelt von der wahren Lebensgeschichte der gebürtigen Appenzellerin Maria Antonia Räss, die es als Stickerin und spätere Unternehmerin nach ihrer Auswanderung nach New York zum Ruhm und Geld gebracht hat, die mit Walt Disney und Coco Chanel befreundet war und mit dem weissen Cadillac und dem schwarzen Chauffeur ganz Appenzell ins Staunen brachte.
Erben oder doch nicht?
Doch was hat diese faszinierende Emanzipations- und Emigrationsgeschichte mit dem Thema Erben zu tun? Moderatorin Irene Graf entlockte der Autorin geschickt und klug fragend aufschlussreiche Antworten. Erben wurde gleich auf mehreren Ebenen zum Thema: Als die «reiche Tante Räss aus Amerika» 1980 unverheiratet in Appenzell starb, wusste man natürlich gerüchteweise von ihren Millionen, von denen sie immer einen Teil in ihrem Beautycase mittrug. 34 mehr oder weniger nahe Verwandte waren an der Testamentseröffnung dabei und erhofften sich einen Zustupf. Es sei dann nicht sehr gemütlich gewesen, beschreibt Schriber die absurde Szene. Ausser Schmuck blieb nicht viel übrig, das Bare war bereits in Stiftungen angelegt. Erben oder nicht erben? Das war die Frage.
Das literarische Erbe ist geklärt
Um das eigene literarische Erbe der Autorin ging es dann noch im spannenden Gespräch, in welchem Margrit Schriber vor allem auch über die Hintergründe der Stofffindung Auskunft gab. Ihr grosses Werk umfasst inzwischen 21 Romane und Erzählbände und kistenweise Material. Ein Buch ist ja letztlich bloss das sichtbare Produkt, dem meist viele Recherchearbeiten und Entwürfe vorausgehen. Was mit ihrem Werk einst passieren wird, verriet Margrit Schriber an diesem Abend: Das Schweizerische Literaturarchiv in Bern wird ihr Schaffen als sogenannten Vorlass übernehmen, also noch zu Lebzeiten. Der Stolz der «Vererberin» (oder: Erblasserin) war sichtbar. Und so werden sich sicher nicht 34 potenzielle Erben um Margrit Schribers Erbe streiten.
Noch ist der Vorlass nicht vollständig: Ein Buch mit Erzählungen liegt bereits wieder beim Verlag und ein weiterer Roman ist in Arbeit. Das literarische Erbe wächst weiter.
18. Oktober 2025 – hansbeat.achermann@luzern60plus.ch