Langlebige Männer sind ein Problem!

Von Cécile Bühlmann

„Männer bereiten den Pensionskassen Sorgen“, lautet die eine Schlagzeile des Tagesanzeigers und die andere sagt: „Die Langlebigkeit der Männer kostet Geld, das nicht da ist.“ Damit jagt die Zeitung uns Leserinnen und Lesern einen gehörigen Schrecken ein. In alarmistischem Tonfall geht es weiter: Die höhere Lebenserwartung komme zu einer ungünstigen Zeit; weil die Männer länger leben würden als bisher prognostiziert, hätten die ohnehin gebeutelten Pensionskassen zusätzliche Probleme.

Die Experten seien erschrocken, als sie die Prognosen über die Langlebigkeit der Männer berechnet hätten. Denn ein Mann habe heute nach seiner Pensionierung nicht nur 18,9 Jahre, wie bisher angenommen, sondern – oh Schreck – 19,7 Lebensjahre vor sich. Haben diese erschrockenen Experten eigentlich auch schon mal daran gedacht, dass dieses lange Leben auch für sie einmal Realität werden könnte und – wäre das denn so schrecklich? Und können sich diese Experten nicht vorstellen, wie es sich anfühlen muss, allein auf Grund seines Alters ständig als Problemgruppe definiert zu werden? Was eigentlich eine erfreuliche Nachricht ist, wird mit solchen Aussagen total negativ konnotiert: Alt werden ist a priori ein Problem!

Man hätte ja auch schreiben können, dass Dank bewussterer und gesünderer Lebensweise der Männer ihre Lebenserwartung sich erfreulicherweise jener der Frauen annähere und dass das ein Schritt hin zur Gendergerechtigkeit im Alter sei. Heute beträgt der Unterschied in der Lebenserwartung ab 65 zwischen Männern und Frauen nur noch rund 2 Jahre, während es vor 40 Jahren noch doppelt so viele waren. Oder man könnte positiv würdigen, dass der medizinische Fortschritt dazu führt, dass Menschen heute Krankheiten und Unfälle überleben, die früher zum sicheren Tode führten. Oder man hätte schreiben können, es sei eine gute Sache, wenn dank Wohlstand und Bildung die Lebenserwartung in der Schweiz weiterhin ansteige. Aber mit der Schlagzeile, dass Langlebigkeit ein Problem sei, wird älteren Menschen generell ein schlechtes Gewissen gemacht: Sie liegen den Jungen auf der Tasche. Wenn dann das Ganze auch noch als Überalterung bezeichnet wird, ist die Botschaft klar: Es gibt zu viele von uns mit Alter 60 plus!

Es ist offensichtlich, dass die Pensionskassen heute ein finanzielles Problem haben. Die von meiner Generation angesparten Millionen können nicht mehr mit genügend Gewinn angelegt werden, um die Renten langfristig zu finanzieren. Ich finde es aber billig und entwürdigend, den Älteren dauernd das Gefühl zu geben, dass sie das Problem seien! Die ausser Rand und Band geratene Finanzindustrie trägt doch die Verantwortung dafür, dass unser Vorsorgesystem in Schieflage geraten ist. Es kann doch nicht sein, dass die, die Geld sparen, dafür einen Negativzins bezahlen müssen, während sich Finanzjongleure mit abenteuerlichen Finanzkonstrukten dumm und dämlich bereichern! Was für eine verkehrte Welt ist denn das! Statt dass Erspartes Zinsen bringt, muss man dafür bezahlen, wenn man heute Geld auf der Bank hat.

Wäre das nicht der Zeitpunkt, wieder ernsthaft über eine existenzsichernde Volkspension nachzudenken, die das Geld der Arbeitnehmenden nicht anspart, sondern direkt in Renten umwandelt?

2. April 2016

Zur Person
Cécile Bühlmann, geboren und aufgewachsen in Sempach, war zuerst als Lehrerin, dann als Beauftragte und als Dozentin für Interkulturelle Pädagogik beim Luzerner Bildungsdepartement und an der Pädagogischen Hochschule Luzern tätig. Von 1991 bis 2005 war sie Nationalrätin der Grünen, 12 Jahre davon Präsidentin der Grünen Fraktion. Von 2005 bis 2013 leitete sie den cfd, eine feministische Friedensorganisation, die sich für Frauenrechte und für das Empowerment von Frauen stark macht. Seit 2006 ist sie Stiftungsratspräsidentin von Greenpeace Schweiz und Vizepräsidentin der Gesellschaft Minderheiten Schweiz GMS. Seit anfangs 2014 ist sie pensioniert und lebt in Luzern.