Edith Kaufmann Limacher ist Pflegefachfrau und Gerontologin HF. Sie verantwortet unter anderem die Angebote von Alzheimer Luzern.

Lebensfreude trotz Krankheit

Obwohl zunehmend mehr Menschen von Demenz betroffen sind, leben Demenzkranke und ihre Angehörigen oft isoliert und werden allein gelassen. Das «Café TrotzDem» in öffentlichen Räumen möchte diesem Tabu etwas entgegensetzen. Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen und weitere Interessierte verbringen gemeinsam gesellige Stunden in entspannter Atmosphäre.Von Monika Fischer (Text und Bild)

Früher oder später kommen wir alle in Kontakt mit einer Demenzkrankheit. Sei es mit der Freundin, die immer vergesslicher wird, mit dem Nachbarn, der auf Fragen keine Antworten mehr gibt oder mit dem Partner, der sich nicht mehr an Abmachungen hält. Dies kann irritieren, weil sich betroffene Menschen äusserlich nicht verändern und die Krankheit erst bei einem direkten Kontakt zum Ausdruck kommt.

Angehörige meiden oft aus Scham den Kontakt mit der Öffentlichkeit und ziehen sich zurück. Deshalb fehlen Erfahrungen im Umgang mit demenzkranken Menschen. Viele wollen sich auch aus Angst nicht damit befassen. Es interessiert sie nicht, so lange es sie nicht betrifft. Dies führt zu zusätzlicher Isolation der Betroffenen. Mit dem Angebot des «Café TrotzDem» zeigt Alzheimer Luzern auf: Demenzkranke Menschen und ihre Angehörigen gehören in die Gesellschaft. Diese muss für die Problematik rund um demenzielle Erkrankungen sensibilisiert werden.

«Schade, dass ich nicht schon früher teilgenommen habe»
Seit sechs Jahren leitet die pensionierte Sozialarbeiterin, Paar- und Familientherapeutin Beatrice Frey-Hässig das «Café TrotzDem» in «Melissas Kitchen» in Luzern und sagt: «Es ist keine Beratung, sondern ein Austausch von betroffenen Menschen, die das Bedürfnis haben, zu reden und sich mit anderen in einer ähnlichen Situation in einem Café auszutauschen.» Sie berichtet, wie eine Teilnehmerin anfänglich nicht wahrhaben wollte, dass mit ihrem Mann etwas nicht stimmte. Drei Jahre erlebte sie, wie dieser mit der Zeit gar bösartig wurde. In dieser schlimmen Situation kam sie durch das Zureden des Sohnes ins «Café TrotzDem».

Der Austausch mit Menschen mit ähnlichen Problemen tat ihr sehr gut. Sie bekam Anregungen, wie sie mit der Situation umgehen kann und bezeichnete es als ihren einzigen Fehler, dass sie nicht schon früher gegangen war. Oder sie erzählt von einer anderen Frau, für die es das Schlimmste war, als ihr Mann sie nicht mehr kannte und ständig nach seiner Frau fragte. Frey-Hässig zeigt auf: «Es ist ein enormer Verlust, wenn der Partner lebt und doch nicht da ist. Eine Demenzkrankheit ist so vielfältig, wie die Menschen sind.»

Einige Gäste besuchen das «Café TrotzDem» auch nach dem Tod des Partners, der Partnerin im Gedanken daran, dass ihre Erfahrungen hilfreich sein könnten für andere.

Honig im Kopf
Sonntagvormittag im Museumscafé im 4. Stock im KKL in Luzern: In einer Ecke gruppieren sich die Gäste um zwei Tische mit dem Flyer «Sonntagscafé TrotzDem». Eine Frau erzählt, wie sie ihren Mann überreden musste, mitzukommen. Dieser hat vor wenigen Monaten die Demenz-Diagnose erhalten. «Das Wort war ein schwerer Schlag, eine Stigmatisierung, die Angst und Hilfslosigkeit auslöst.»

Gemeinsam suchen die Anwesenden nach einem anderen Begriff für die Krankheit. «Es ist wie Honig im Kopf, also die Honigkrankheit», schlägt der betroffene Mann vor, was für Heiterkeit sorgt. Das Ehepaar bezeichnet die unterschiedliche Wahrnehmung als grösstes Problem der aktuellen Situation. Dank der von der berufstätigen Frau zusammengestellten Listen mit Aufträgen kann ihr Mann den Alltag während ihrer Abwesenheit noch selbständig bewältigen. Dieser fühlt sich jedoch ständig beobachtet und ist verletzt, wenn ihn die Frau wegen seiner Vergesslichkeit korrigieren muss. Gesprächsleiterin Edith Kaufmann fragt nach, wer was braucht, gibt Anregungen für Strategien und Hinweise auf mögliche Unterstützung. Die übrigen Teilnehmenden freuen sich über die Offenheit des Paares und ihren besten Willen, es gemeinsam gut zu machen.

Befreites Lachen
Bei der Tochter und Schwiegertochter eines hochaltrigen Paares steht die Sorge um die durch die Betreuung überlastete Mutter im Zentrum. Was tun, wenn diese sich nicht helfen lassen will und ihren Mann nur mit schlechtem Gewissen alleinlassen kann? Der Austausch zeigt, es kann eine Frage der Generationen sein, Hilfe anzunehmen oder nicht. Es ist wichtig, dass erwachsene Kinder ein gutes Team sind im Umgang mit einer Situation, die sie nicht verändern können.

Immer wieder ist ein befreites Lachen zu hören. Nach zwei Stunden will noch niemand aufstehen. Alle Beteiligten finden den offenen Umgang wunderbar. «Es war hilfreich, ich sehe die Situation klarer und bekam viele neue Ideen und Wege», sagt eine Teilnehmerin. Der Mann mit der Demenz-Diagnose freut sich besonders über die angeregten Gespräche und meint zu seiner Lebensbilanz: «Ich habe zwar keine Millionen, aber sehr viel schöne Erinnerungen auf der Seite. Der Reichtum des Lebens kann auf verschiedene Arten erworben werden.» Seine Frau freut sich über seine Unbeschwertheit und Lebensfreude und bedauert: «Wenn wir zuhause sind, wird er alles wieder vergessen haben.»

Nicht nur in Luzern
Edith Kaufmann schätzt die positiven Rückmeldungen und erläutert, dass die Besucher*innen-Zahlen im «Café TrotzDem» unterschiedlich sind. Da es von einer Person bis zu 10 oder 14 Personen sind, ist in der Regel auch eine zweite Person als Gesprächsleiterin dabei.

Weitere «Café TrotzDem» finden in Adligenswil, Entlebuch, Hochdorf, Reiden, Rothenburg, Sursee, Willisau und Kriens statt. Und erweitert wird das Angebot mit «Musik TrotzDem». Im Mai findet eine Schnupper-Singstunde in Sursee statt.

Mehr Infos und Daten auf der Website von Alzheimer Luzern

25. April 2025 – monika.fischer@luzern60plus.ch