Lieder und Worte über Bedrohung, Krieg und Freiheit von Ziad Nehme mit Gesang am Klavier, und Tini Prüfert, Lesung.

Luzerner Theater zeigt Solidarität mit der Ukraine

Der brutale Angriffskrieg auf die Ukraine verunsichert, löst Ohnmacht und Hilfslosigkeit aus. Deshalb öffnet das Luzerner Theater bis Mitte April jeweils am Mittwochabend seine Box für die Solidaritätsaktion «Stay United» mit künstlerischen Beiträgen des Ensembles, Vorträgen und Podiumsdiskussionen.

Von Monika Fischer (Text und Bilder)

In der gelb-blau beleuchteten Box heisst Lars Gebhardt, Co-Operndirektor des Luzerner Theaters, die Anwesenden zum zweiten Abend der Solidaritätsaktion «Stay United» willkommen. Der Libanese Ziad Nehme singt Lieder der französischen Sängerin Barbara. Sie handeln von Abschied, von Verlust und Krieg. Der Sänger begleitet sich selber auf dem Klavier, ausser bei «Liberté», wo er den Rhythmus schlägt: hart, beklemmend. Ebenso eindringlich wirken die Sätze aus dem Tagebuch von Wolodymyr Selenskyi, gelesen von Tini Prüfert.

Differenzierte Diskussionen
Dem Podiumsgespräch zum Thema «Die Situation der Flüchtenden – Willkommenskultur und Unsicherheit» ist der zweite Teil des Abends gewidmet. Moderator Lars Gebhardt stellt die Frage in den Raum, was sich seit dem 24. Februar geändert hat und jetzt ganz anders ist. Friedensforscherin Cordula Reimann fragt sich angesichts der grossen Solidarität mit den geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern, ob in der Willkommenskultur mit unterschiedlichen Ellen gemessen werde. Gründe dafür seien die gefährliche räumliche Nähe zur Ukraine und weil im Gegensatz zum Krieg in Syrien der Aggressor klar sei. Auch habe sich der Westen durch grosse Geschäfte in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland gebracht und wolle vielleicht das schlechte Gewissen mit der Willkommenskultur reinigen. Alte Stereotype des Kalten Krieges brächen wieder auf. Zudem werde die Situation medial zugespitzt, Corona sei ebenso aus den Schlagzeilen verschwunden wie die Klimakrise, der Sorge Nummer eins. Im Hinblick auf den allzu schnellen Ruf der Sicherheitspolitik nach Aufrüstung wünscht sich die Fachfrau eine differenziertere Diskussion. Finanzen, die in die Aufrüstung fliessen, fehlten bei Bildung und im sozialen Bereich.

Alle Geflüchteten gleich behandeln
Angesichts der grossen Solidarität mit der Ukraine fordert Hamit Zeqiri, Geschäftsführer Fabia (Kompetenzzentrums für Migration Luzern) auf, genau hinzuschauen. «Wo ist die grosse Betroffenheit, wenn im Mittelmeer Hunderte von Menschen auf der Flucht ertrinken?» Diese andere Realität werde oft gar nicht wahrgenommen. Deshalb sei die aktuelle Situation eine Chance, ehrlicher zu sein mit sich selber und auch Menschen aus anderen Ländern auf Augenhöhe zu sehen und ihnen entsprechend zu begegnen. Doch seien auch Fortschritte gemacht worden. So würden die nach der grossen Solidaritätsbewegung 2015 entstandenen Integrationsbestrebungen jetzt in formelle und professionelle Strukturen überführt.

Reza Hosseini, Assistent bei Hello Welcome Luzern, erzählt, wie er in seinem jungen Leben schon zweimal flüchten musste: als Kind mit den Eltern in den Iran, später vom Iran in die Schweiz. Zweimal musste er sich in einer neuen Kultur zurechtfinden und eine neue Sprache lernen und sich den B-Ausweis nach und nach erwerben. Deshalb fragt er sich, warum jetzt die aus der Ukraine geflüchteten Menschen sofort den S-Ausweis bekommen. Er berichtet von Kolleginnen und Kollegen, die seit 15 Jahren mit Nothilfe unter Schwierigkeiten überleben müssen und fordert eine Gleichbehandlung aller geflüchteten Menschen unabhängig von der Herkunft.

Friedensarbeit
Vom Publikum wird die Frage nach dem Inhalt und dem Nutzen der Friedensforschung gestellt. «Konflikt- und Friedensforschung beginnt dort, wo Ursachen bekämpft werden», zeigte Cordula Reimann auf. Warnzeichen habe es gegeben, als in Russland mit der Einschränkung der freien Meinungsäusserung begonnen wurde. Entsprechende Hinweise seien leider nicht gehört worden. Friedensarbeit müsse in der Bildung beginnen mit der Auseinandersetzung mit Fragen: Was ist Frieden? Wie gehen wir mit Andersartigkeit, mit anderen Meinungen und Konflikten um? Die Pandemie habe gezeigt, wie schnell es durch das Freund-Feind-Schema zu einer Polarisierung komme. Es sei auch wichtig, sich über die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge bewusst zu werden. Die neoliberale Wirtschaftsordnung stelle den Profit ins Zentrum. So sei auch die Waffenindustrie ein grosser Wirtschaftszweig verbunden mit Arbeitsplätzen. Entscheidend sei es, den Menschen in den Vordergrund zu stellen und zu einer Kultur des Friedens beizutragen.

Sie diskutieren über das, was sich seit dem 24. Februar verändert hat: (v.l.) Hamit Zeqiri, Cordula Reimann, Reza Hosseini und Lars Gebhardt.

«Stay United»: Ort für Solidarität, Austausch und Fragen

Zur Aktion in der Box schreibt das Luzerner Theater: «Auf unseren Bühnen beschäftigen wir uns immer wieder mit den Themen Gewalt und Unterdrückung, aber auch mit Courage, Menschlichkeit und Solidarität. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine wird uns besonders deutlich, wie wichtig diese wiederholte Auseinandersetzung ist, und dass Demokratie, Frieden und Freiheit keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern täglich neu errungen werden müssen. Deshalb möchten wir uns mit unserem Publikum treffen, als Zeichen der Solidarität, aber auch, um der Luzerner Bevölkerung einen Ort zu geben, an dem sie sich austauschen kann, an dem Fragen diskutiert und Unsicherheiten zur Sprache gebracht werden.» Jeden Mittwoch um 19.30 Uhr öffnet die Box ihre Türen. Um 20 Uhr gibt es ein Programm mit künstlerischen Beiträgen aus den Ensembles Schauspiel, Oper und Tanz, mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen. Im Anschluss besteht die Möglichkeit zu Gespräch und Austausch. Der Eintritt ist frei, es braucht keine Anmeldung.

Das Programm der jeweiligen Abende wird spontan und kurzfristig entwickelt.

Daten: Je Mittwoch, 23. und 30. März, 6. und 13. April.

Programm: www.luzernertheater.ch/stayunited

21. März 2022 – monika.fischer@luzern60plus.ch