Neue Perspektiven für ältere, stellenlose Menschen

Das Projekt des Arbeiterhilfswerk Zentralschweiz (SAH) zur Unterstützung von stellenlosen älteren Personen startete im vergangenen September. Es war von Beginn weg ein Erfolg: 40 Personen im ersten Modul, heute sind 12 Frauen und Männer in der Stellenvermittlung und bereit für einen neuen Job. Barbara Meier hat das Projekt aufgebaut, jetzt wird das Angebot von Markus Oberli geleitet, mit schönen Erfolgen.

Von René Regenass (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Barbara Meier wirkte geradezu begeistert, als sie zum SAH-Angebot „Perspektive Arbeit“ Auskunft gab. Sie ist Leiterin Arbeit und Vermittlung beim Schweizerischen Arbeiterhilfswerk SAH Zentralschweiz in Luzern. Das im vergangenen Herbst neu lancierte Angebot richtet sich speziell an stellensuchende Personen, die über 50 Jahre alt sind. Die Fakten: Arbeitslose über 55 Jahre haben es besonders schwer, eine Stelle zu finden und werden in der Arbeitslosenversicherung häufig ausgesteuert.

„Wir starteten mit unserem Angebot Mitte September und wurden förmlich überrannt mit Anmeldungen durch die regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV)“, erzählt Barbara Meier. Es habe Wartezeiten gegeben, weil man für das Assessement, also für die Einschätzung und Abklärung der Arbeitsmarktfähigkeit der stellensuchenden Personen genügend Zeit einsetzen wollte. Deshalb wurden zwei zusätzliche Assessments angeboten. Bis Ende Jahr konnten 40 Personen in das erste Modul SAH Arbeitscheck aufgenommen werden. Es dauert fünf Wochen, dient der Abklärung und Einschätzung der individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten der Personen und beinhaltet einen zweiwöchigen externen Praxiseinsatz in einem Betrieb des regulären Arbeitsmarktes. „Dafür stehen uns Firmen und Betriebe zur Verfügung, die wir kennen. Wir wollen wissen, wie die Wirtschaft die stellensuchenden Personen beurteilt. Mit der Pandemie ist es jedoch schwierig geworden, externe Abklärungsplätze zu finden. Seit die Restaurants geschlossen sind, fehlt es auch an Plätzen in der Gastrobranche.“

12 von 40 Teilnehmenden sind in der Stellenvermittlung

Wie steht es mit der Zielsetzung des SAH-Angebots? Was ist möglich in der Stellenvermittlung? „Es ist schwierig heute. Covid bringt Herausforderungen mit sich. In den letzten Monaten des vergangenen Jahres wurden 12 der 40 Personen, die das erste Modul besucht haben, in das zweite Modul SAH Stellenvermittlung angemeldet.“ Das SAH profitiert bei der Stellenvermittlung vom eigenen Netzwerk von Firmen, das im Verlauf der Jahre aufgebaut worden ist. Im 2021 wird innerhalb der Stellenvermittlung auch ein Mentoring-Programm eingerichtet. Barbara Meier: „Wir stellen den Frauen und Männern, die eine Stelle antreten, einen Mentor oder eine Mentorin zur Seite. Es gibt immer wieder Pensionierte oder auch Leute aus der Wirtschaft, die sich gerne für das SAH Zentralschweiz engagieren.“

Eine weitere Hilfe für die älteren, stellenlosen Personen hat das SAH Zentralschweiz mit der Bildung von Austauschgruppen geschaffen. Viele dieser Menschen haben ähnliche Erlebnisse. Im Austausch mit anderen erfahren sie, dass sie mit ihren Erlebnissen auf dem Arbeitsmarkt nicht alleine sind. Barbara Meier sagt, dass man auch versuche, Firmenvertreter in solche Austauschgruppen einzuladen.

Im laufenden Jahr sind 127 Personen im Arbeitscheck

Seit Sommer 2020 ist Markus Oberli operativer Leiter von „Perspektive Arbeit“ beim SAH Zentralschweiz. Er hat vorher bei der Stiftung ZEKA (Zentrum Körperbehinderte Kinder Aargau) verschiedene Programme für mehrfach Körperbehinderte geleitet. Auch Markus Oberli freut sich über den Erfolg des SAH-Angebots. „Bei den Anmeldungen haben wir seit dem Start im vergangenen September hohe Zahlen.“ Zum Beispiel:  Das Modul 1, der sogenannte Arbeitscheck mit den Einschätzungen von Kompetenzen und der Erarbeitung von Perspektiven für den beruflichen Wiedereinstieg, dauert fünf Wochen. Aktuell sind im laufenden Jahr 16 Durchführungen mit 8 Teilnehmenden geplant, Total mit 127 Personen. Die aktuell hohen Anmeldezahlen sind zwar erfreulich, sagt Markus Oberli, anderseits ein Zeichen, wie schwierig es für ältere Arbeitslose heute sei, beruflich wieder einzusteigen.

Mitte Januar befanden sich 15 Personen aus dem SAH-Angebot in der Stellenvermittlung. Ihre Herkunft verteilt sich auf den ganzen Kanton, mit Schwergewicht Stadt und Agglomeration. Die Mehrheit der Stellensuchenden ist generell zwischen 55 und 65 Jahre alt, zwei Drittel Frauen, ein Drittel Männer. Es sind Fachkräfte mit Berufsausbildung, zum Teil mit zusätzlichen Weiterbildungsprogrammen, aber auch Hilfskräfte. Es ist alles dabei: Vom Uhrmacher über kaufmännisch Angestellte und Küchenhilfen. Markus Oberli: „Wir begleitet keine Kaderleute.“

Eine Festanstellung ist das Ziel

Die Stellensuchenden durchlaufen alle, wie bereits erwähnt, das erste Modul (also Einschätzung und Abklärung der individuellen Kompetenzen). Nach dem Modul 1 entscheidet die/der RAV-Berater/-in, ob der nächste Schritt in die Stellenvermittlung (Modul 2) als aussichtsreich gelten kann. Dieses Modul dauert drei Monate und kann um weitere drei Monate verlängert werden.

Eine Festanstellung im Arbeitsmarkt für die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist Zielsetzung im Modul 2, dazu eine Erweiterung des Netzwerkes und der persönlichen Kontakte. Die Stellenvermittler/-innen begleiten die Personen individuell auf ihrem Weg eine Stelle im regulären Arbeitsmarkt zu finden.

Das Beispiel

Silvio Parola (59) ist seit zwei Jahren arbeitslos. Er hat seine Anstellung beim Marktforschungsinstitut Nielsen in Root verloren, weil die betreffende Abteilung nach Polen verlegt worden ist – Outsourcing nennt man das in der Wirtschaft. Jetzt steht Parola in der Stellenvermittlung beim SAH, also im zweiten Modul des Projekts „Perspektive Arbeit“. Für zwei Wochen hatte er bereits eine befristete Arbeit bei LuTixi, wo er auf Hilfe angewiesene, körperbehinderte Personen mit dem Auto zu bestimmten Terminen transportieren konnte. „Diese Beschäftigung hat mir sehr zugesagt“, erzählt er im Gespräch. Jetzt hat er wöchentlich einmal Kontakt mit seiner Betreuerin beim Arbeiterhilfswerk, meldet sich auf Stellenangebote und erhält Absage um Absage, vorläufig. „250 Bewerbungen habe ich bis jetzt gemacht. In Form und Aussage tönen die Absagen immer etwa gleich. Es ist schwierig, im Alter von 59 Jahren mit solchen Realitäten leben zu müssen.“

Sein Stellenvermittlungsmodul beim SAH läuft jetzt drei Monate bis Ende Februar, mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere drei Monate. Silvio Parola hofft, über das Netzwerk des SAH doch noch eine neue Arbeit zu finden. „Wenn es irgendwie möglich wäre, möchte ich noch fünf bis sechs Jahre arbeiten können, bis zur normalen Pensionierung mit 65“. Was sich für ihn bei aller Belastung noch positiv auswirkt, ist die Sonderregelung auf Grund der Corona-Situation. „Die Rahmenfrist für die Auszahlung der Arbeitslosen-Taggelder ist verlängert worden. Ich kann bis Ende Juni 2021 Taggelder beziehen. Ohne diese Möglichkeit wäre ich jetzt bereits ausgesteuert.“

Immer wieder die negativen Altersbilder

Ursula Schärli, die Geschäftsleiterin beim SAH Zentralschweiz, schreibt in ihrer Einleitung zum Projekt „Perspektive Arbeit“ von den negativen Altersbildern, die sich in unserer Gesellschaft „hartnäckig halten. Die älteren Arbeitnehmenden sind immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Sie seien unflexibler und weniger leistungsfähig als jüngere.“ Auch Barbara Meier weiss, dass diese negativen Bilder in manchen Personalabteilungen und im Kader von Unternehmen vorhanden sind. Sie erinnert sich an eine Abklärungssituation im vergangenen Dezember in der Geschäftsstelle des SAH Zentralschweiz, als „eine gut ausgebildete und sympathische Teilnehmerin über 50 von ihrem Respekt gegenüber der Digitalisierung erzählte. Während der Abklärung haben wir versucht, Ängste und Hemmschwellen bezüglich dieses Themas abzubauen.“

26. Januar 2021 / rene.regenass@luzern60plus.ch