Pflegeangebote sollen flexibler werden

An einem Werkstattgespräch für Interessierte aus dem Forum Luzern 60plus haben Martin Merki, Sozialdirektor, und Beat Demarmels, Leiter Heime und Altersiedlungen (HAS), über die geplante Überführung der Heime und Alterssiedlungen in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft informiert.

Schon seit einiger Zeit befasse sich der Stadtrat mit einer „Vorwärtsstrategie“ für die Pflegeversorgung in der Stadt Luzern, sagte Martin Merki. Zentrales Element: Die städtischen Heime und Altersiedlungen sollen in eine neue Rechtsform überführt werden, eine gemeinnützige Aktiengesellschaft, die vollständig im Eigentum der Stadt bleibt. Das Parlament hat dem Stadtrat im Juni 2012 den Auftrag erteilt, dafür ein Detailkonzept auszuarbeiten und gleichzeitig ein Konzept vorzulegen für die Planung und Steuerung aller Pflegeleistungen, inklusive der ambulanten und teilstationären Angebote. Die Angebote im Alter sind generell eine gewichtige Aufgabe für die Stadt Luzern. Denn die Luzerner Bevölkerung weist – im Vergleich mit andern Schweizer Städten – mit fast 20 Prozent den dritthöchsten Anteil an über 65-Jährigen auf.

Einleitend verwies Martin Merki auf den hohen Qualitätsstandard der stadteigenen Betagteneinrichtungen. Der neue Staffelnhof im Stadtteil Littau, das derzeit modernste Pflegeheim der Stadt, sei gar „State of the Art“ in Sachen Lebensqualität und Wohnlichkeit. Auch zahlenmässig genüge das Angebot an Pflege- und Wohnplätzen in der Stadt Luzern für die nächste Zeit durchaus.

Schnellere Antworten auf neue Bedürfnisse

Weshalb denn die Verselbständigung der Heime? Das Hauptmotiv: Die stationären Angebote sollen beweglicher und flexibler werden als es die Verwaltungsstrukturen und schwerfälligen Entscheidungsabläufe für die heutigen HAS zulassen. Mit einem breit gefächerten Angebot sollen Betagte mehr Wahlmöglichkeiten bekommen. Das gelte für alle, sagte Merki. Auch weniger Bemittelte und Personen, die Ergänzungsleistungen beziehen, sollen dank städtischer Zusatzleistungen die angemessenen Pflegeleistungen wählen können.

„Die Bedürfnisse heutiger Betagter ändern sich, sie stellen höhere Ansprüche an Selbständigkeit, Komfort und Individualität als früher“, sagte Merki. Darauf sollten die städtischen Institutionen antworten können mit entsprechenden Dienstleistungen. Um neue Angebote – zum Beispiel betreutes Wohnen, Demenzgruppen oder Palliative Care – im Interesse der Betagten schnell und flexibel planen zu können, brauchen sie einen grösseren unternehmerischen Spielraum. Nur dann könnten sie im Markt bestehen, auf dem immer stärker auch private Investoren auftreten. Und diese zielen mit ihren Angeboten nicht zuletzt auf kaufkräftige Betagte. Merki führte als Beispiel dafür die neue Überbauung Senevita in Ebikon an oder die Alterswohnungen der Firma Vivale AG, die in Emmenbrücke entstehen und demnächst betreutes Wohnen, Pflege und zahlreiche Serviceleistungen anbieten werden.

Gleich lange Spiesse

Private Anbieter werden überdies mit der neuen Pflegefinanzierung gestärkt; im Kanton Luzern tragen die Gemeinden seit 2011 jenen Teil der Pflegekosten, für den nicht die Krankenkassen aufkommen. Martin Merki: „Die Privaten profitieren von der gleichen Finanzierung wie die öffentlichen Institutionen, sind unternehmerisch aber freier.“

Die gemeinnützige Aktiengesellschaft, die steuerbefreit wäre und allfällige Gewinne reinvestieren müsste, könnte hier gleich lange Spiesse schaffen und gleichzeitig den Service public absichern. Die Aktien blieben zu 100 Prozent im Besitz der Stadt. Der Stadtrat würde überdies den Verwaltungsrat wählen. Und mit einer eigenen Investitionsplanung der AG stünden grössere Investitionen nicht mehr in Konkurrenz zu andern städtischen Vorhaben. Das wäre angesichts des finanziellen Drucks bei den Stadtfinanzen, der übrigens von der neuen Pflegefinanzierung mitverursacht wird, ein weiterer Vorteil, meinte Merki.

Die Unternehmensstruktur der AG, wie sie heute vorgesehen ist, soll eine gewisse Eigenständigkeit der einzelnen Heime bewahren. Für jedes Heim würde weiterhin eine eigene Heimleitung verantwortlich sein, erklärte Beat Demarmels. Damit wäre gewährleistet, dass zum Beispiel der Eichhof sein Profil ein Stück weit anders prägen kann als der Rosenberg, das Dreilinden anders als der Staffelnhof – die heutige Vielfalt würde also nicht leiden.

Faire Personalpolitik

Bedenken, das Personal der heutigen Pflegeeinrichtungen könnte bei einer Privatisierung nur verlieren, zerstreuten Merki und Demarmels. Die Stadt weiss um die Bedeutung guter Rahmenbedingungen für die Mitarbeitenden, die zunehmend schwieriger zu finden sind. Bestandteil einer Überführung in die AG ist ein Gesamtarbeitsvertrag, der mindestens die heutigen Bedingungen garantieren würde. Die Verhandlungen mit den Gewerkschaften und dem städtischen Personalverband seien auf sehr gutem Weg, verriet Merki. Der Stadtrat hat schon früher beschlossen, dass die neue AG das Personal der HAS zu übernehmen hätte.

Am Werkstattgespräch interessierte auch die Frage, wie weit das Parlament in Entscheide zur Pflegeversorgung einbezogen würde. Dazu ist vorgesehen, dem Grossen Stadtrat die Gesamtstrategie und -planung zur Genehmigung ebenso vorzulegen wie Geschäfts- und Controllingberichte. Zudem soll dem Parlament alle drei Jahre ein Rahmenkredit für die Leistungsaufträge unterbreitet werden. Der Einfluss des Parlaments auf strategischer Ebene bleibt also bestehen.

Hingegen muss heute offen bleiben, ob in der neuen AG denn tatsächlich eine neue Kultur entstehen würde. „Wenn die neue Organisation von der Verwaltung  geplant wird – wie kann denn daraus eine Unternehmenskultur werden, wie sie nötig ist?“, fragte ein Teilnehmer.

Kompetenzstelle Alter und Gesundheit

Die Pflegevorsorgung ist eine öffentliche Aufgabe der Stadt Luzern. Diese sicherzustellen nicht nur im stationären, sondern auch im ambulanten Bereich, wird also weiterhin vom Stadtrat verantwortet. Parallel zur neuen Rechtsform der Heime und Alterssiedlungen arbeitet der Stadtrat an einem Konzept für die Planung und Steuerung aller Pflegeangebote. Er will dazu verwaltungsintern eine neue Dienstabteilung Alter und Gesundheit schaffen. Diese soll die Pflegeversorgung gesamthaft planen und steuern. Sie verhandelt mit den stationären und ambulanten Anbietern die Leistungsverträge und erarbeitet Standards für die Qualität der Leistungen, die für alle gelten. Nach einer Auslagerung der Heime und Alterssiedlungen in eine AG werden diese somit mit gleichen Ellen gemessen wie die übrigen Anbieter. Die neue Dienststelle wäre ausserdem für die Weiterentwicklung der städtischen Alterspolitik zuständig.

Zeitplan

Inzwischen sind die Entwürfe zum „Bericht und Antrag zur Schaffung einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft im Eigentum der Stadt“  sowie zum „Bericht und Antrag zur Pflegeversorgung in der Stadt Luzern“ auf Verwaltungsebene weit gediehen. Beide Berichte sollen im Oktober vom Stadtrat verabschiedet und im Dezember im Parlament diskutiert werden. Die Volksabstimmung über die AG ist für Mai 2014 geplant, die Überführung der HAS in die neue Unternehmensform (bei einem Ja) per 1. Januar 2015.

Marietherese Schwegler – 25. August 2013