Auslöser für Dieter Kellers Passion war eine Lampe, die er vor 50 Jahren an einem Flohmarkt in Lyon im Dreck entdeckt hatte. Bild: Verena di Gallo

«Bei mir leuchtet fast alles»

Er sei einer der letzte Mohikaner im Antiquitätengeschäft, sagt Dieter Keller. Seit 50 Jahren sind Lampen und Leuchten seine Leidenschaft.
Von Barbara Stöckli

Öffnet man die Tür zu Dieter Kellers Geschäft am Schweizerhofquai 6 in Luzern, betritt man ein Universum, das es woanders kaum noch gibt: Steh- und Wandlampen, Deckenleuchten in allen Grössen und Formen. Darunter ein Kronleuchter, der 350 Kilo wiegt. Aber auch Dosen aus Silber, Kristallvasen, Spiegel, sogar zwei Löwen aus Marmor bewachen den Laden, flankiert von zwei Haremsdamen, die ihnen mit einem sechsarmigen Leuchter Licht spenden. Mittendrin in diesem Lampenreich steht Dieter Keller, strahlt und erzählt begeistert, wo er welches Stück erworben hat: «Ich habe überall auf der Welt eingekauft, immer wenn ich Geld hatte.»

«Glücksfall» Pandemie
Geld war nicht immer da. Manchmal wurde es eng, doch nie so eng, dass er ans Aufgeben gedacht hätte. Nicht einmal während der Pandemie. Im Gegenteil. Die Pandemie war für ihn ein Segen, konnte er sich während dieser Zeit voll auf einen Grossauftrag konzentrieren: Die Restauration verschiedener Kristallleuchter im Stadtcasino Basel. Darunter war ein 2,5 Meter hohes Prachtstück, das er in den Originalzustand zurückversetzte und sogar verlorene Einzelteile mit Hilfe eines 3D-Druckers rekonstruierte und wieder einfügte. Für Dieter Keller und sein Team eine herausfordernde, aber auch erfüllende Arbeit, die er in einem Fotoband dokumentiert hat.

Sein Geschäft ist seine Leidenschaft – auch nach 50 Jahren: «Das ist mein Leben, und ich habe noch immer den Plausch.» Ursprünglich auf Lampen von 1750 bis 1980 spezialisiert, musste er sich dem Zeitgeist anpassen und sich neu erfinden, um dranzubleiben, um zu überleben: «So habe ich mein Sortiment auf das Design aus den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren erweitert. Das läuft gut.» Seine Kundschaft kommt auch aus dem Ausland. Denn «Leuchter haben viele. Aber nicht diese Auswahl». Dieter Keller fand seine Nische mit Sachen, die niemand sonst im Angebot hat.

Wie es anfing
Der Laden ist nur ein Teil von Dieter Kellers Universum. Weitere Schätze entdeckt man in der Werkstatt. Dort stehen und hängen Leuchten, leicht lädiert, bis Randy Stolze Hand anlegt. Der gelernte Metallbauer zerlegt die Lampen in ihre Einzelteile, reinigt, poliert und verkabelt sie neu, zieht Perlen oder Kristalle auf und setzt Ersatzteile ein wo nötig. Er erneuert ihr Innenleben mit der Sorgfalt, das Äussere zu erhalten.

Das Virus hat Dieter Keller mit 23 gepackt. Als Werber hatte er den Blick für schöne Dinge, die er in einem Antiquitätengeschäft täglich sah, erwarb und mit etwas Gewinn weiterverkaufte. Auslöser für seine Geschäftsidee aber war, wie könnte es anders sein, eine Lampe, die er an einem Flohmarkt in Lyon im Dreck entdeckte. Da war klar: «Ich mache etwas mit Lampen.» Und das macht er nun seit 50 Jahren. Der 73-Jährige ist erfolgreich, ein geschätzter Experte und – wie er sich bezeichnet – einer der «letzten Mohikaner im Antiquitätengeschäft». Und wie feiert er dieses Jubiläum? Er plane nie langfristig. «Das Richtige kommt im richtigen Moment.»

17. April 2024

Das Porträt erschien zuerst in der «Hochwacht Post» Nr. 113/Frühling 2024