Walti Mathis wollte einst Pfarrer und später Schauspieler werden – heute ist er Regisseur für Kindertheater.

Der nimmermüde Piratenkapitän

Wer in Luzern vom Jugend- und Kindertheater spricht, kommt nicht um Walti Mathis herum – den Regisseur, Stückeschreiber und Motivator. Die Stadt zeichnete ihn 2022 mit der Ehrennadel aus, die Kinderbühne Littau, die er begründet hat, feierte vor Kurzem das 30-jährige Bestehen.Von Albert Schwarzenbach (Text) und Joseph Schmidiger (Bilder)

Eigentlich kam alles ganz anders als gedacht. Walti Mathis wollte nämlich Pfarrer werden. Doch nach dem ersten Semester des Theologiestudiums wusste er: Das ist nichts für mich. Seine Zukunft sah er als Schauspieler. Doch er wurde nicht erhört. Er sprach zwar bei vielen deutschsprachigen Bühnen vor, doch er bekam nur Absagen. In Berlin vernahm er später, dass im Osten der Stadt, in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), Regisseure ausgebildet würden.

Zuvor musste er allerdings bekunden, dass er politisch zuverlässig war. Um das Visum bei der Botschaft der DDR zu erlangen, legte er den Mitgliederausweis der sozialdemokratischen Partei vor. Was akzeptiert wurde und er daraufhin das Diplom erwerben konnte. Gleichzeitig wurden die Schweizer Behörden auf ihn aufmerksam und legten eine Fiche an. Später erfuhr er dann, dass sein Leben minutiös auf drei Seiten dokumentiert worden war.

Bildungsdirektor als Förderer
Walti Mathis zog es in die Schweiz zurück. Da das DDR-Diplom nicht anerkannt wurde, musste er wieder einen neuen beruflichen Weg finden. Er liess sich zum Jugendarbeiter ausbilden. In der Hochhüsliweid im Würzenbach-Quartier fand er seine erste Stelle. Dort arbeitete er erstmals als Regisseur mit Kindern und Jugendlichen. Zu den Zuschauern gehörte auch der damalige Schuldirektor Robert Schiltknecht, der ihn gleich verpflichtete, ein Theaterangebot für die ganze Stadt zu entwickeln.

1991 fragte ihn der damalige Stadtpräsident Franz Kurzmeyer an, ob er sich das Amt des Jugendbeauftragten vorstellen könne. Das Dossier landete dann bei der Schuldirektion, worauf ihn Robert Schiltknecht gleich anstellte. Mit dem neuen Arbeitsvertrag endete auch die politische Karriere, denn er vertrat zu jener Zeit die SP im Stadtparlament. Als städtischer Angestellter musste er seinen Rücktritt erklären.

In dieser Zeit wurde der Littauer Gemeindeammann Josef Schärli auf ihn aufmerksam. So kam es, dass er sich in der Vorortsgemeinde engagierte und die Kinderbühne Littau gründete, die dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiert. Seit der Premiere mit «Peter Pan» entstanden dort 85 Theaterproduktionen. Insgesamt 20‘000 Besucherinnen und Besucher sassen bis heute im Saal, der gleichzeitig Probe- und Aufführungsraum war.

Hillary Clinton war zu Besuch
Der Jugendarbeiter schrieb ein weiteres Mal Lokalgeschichte, als er das Kinder- und Jugendparlament gründete. Insbesondere das Kinderparlament machte Furore, denn Hillary Clinton, die Frau des damaligen amerikanischen Präsidenten Bill Clinton, meldete sich für einen Besuch an. Für die Sicherheitsbeamten aus den Vereinigten Staaten war das alles andere als einfach, denn die Kinder hatten ihre eigenen Regeln. Die Bilder von diesem Besuch gingen um die Welt. Bis heute gibt es den Lollipop, den das Kinderparlament jährlich für besonders kinderfreundliche Taten verleiht, und die saure Gurke für Leute, die kein Herz für Kinder haben.

Der Theatermann, der inzwischen zum Pensionär geworden ist, sieht sich im Spannungsfeld zwischen Kunst und Pädagogik. Er freut sich über die Spontanität der Kinder, die Teil der Geschichte werden, in der Handlung leben. Zwei Lärmpolizisten beispielsweise gehen dem Kinderlärm auf die Spur, an der Migros-Kasse, vor dem KKL, auf Spielplätzen und in der Disco. Sogar das Bundesgericht muss sich mit den Störenfrieden befassen. Und kommt zum salomonischen Schluss, dass Kinderlärm zumutbar ist.

Bratwurst und der Norden
Kultur ist auch sonst das Leben von Walti Mathis. Er hat das Theaterabo und reist zu den Bühnen in ganz Europa. Davon abhalten kann ihn nur der FC St. Gallen und eine echte Olma-Bratwurst ohne Senf. Den Sommer verbringt er in Norddeutschland, denn die Hitze setzt ihm zu. Im Nachbarland tankt er auf, damit er wieder mit viel Elan arbeiten kann. Ganz nach seinem Credo: «Die Kinder sind wie ein Piratenschiff und ich der Piratenkapitän.»

17. Juni 2023 – albert.schwarzenbach@luzern60plus.ch