Sparen

Von Karin Winistörfer

Normalerweise halte ich wenig von Trends. Man könnte sogar sagen: sehr wenig. Modethemen lösen höchstens Gähnanfälle aus, sehe ich Hipster, assoziiere ich damit bärtige Älpler im fortgeschrittenen Alter sowie …. Ach, lassen wir das. Im Bereich der Sozialen Medien befinde ich mich, etwas überspitzt gesagt, an der Schwelle zur frühen Neuzeit.

Dem neusten Trend jedoch, der zugleich ein solider und bewährter ist, da in Variationen schon während Jahren erprobt, möchte ich mich nicht verschliessen. Er versprüht so einen hinterhältigen Charme, der einen plötzlich anfällt und sich nicht mehr aus dem Gedächtnis löschen lässt. Schon nur die immer wechselnden Bezeichnungen sind sprechende Beweise für schiere Kreativität: „Vorwärts“, „Global Excellence“, „Konsolidierungsprogramm“, „Climb 2011“, „Jump“ oder, mein persönlicher Favorit: „Haushalt im Gleichgewicht“. Wer will da noch von schnödem Sparen reden? Schlank und rank wollen wir alle sein, und gegen mehr Balance und Sprungkraft hat auch kaum jemand etwas einzuwenden.

Deshalb habe ich beschlossen, den glänzenden Vorbildern zu folgen und per sofort mein eigenes Programm zu lancieren. Neinnein, kein Sparprogramm. Es geht hier um Effizienz, Geradlinigkeit, Schlankheit. Das Programm heisst ganz bescheiden „Die Zukunft“. Auch ich persönlich muss fit sein für sie.

Da „Die Zukunft“ mir gehört, werden die einzelnen Massnahmen nicht publiziert. Und obwohl ich diese lediglich 450 Personen zur (vertraulichen!) Kenntnisnahme zugestellt habe, sind Indiskretionen nach draussen gesickert. Ich sehe mich deshalb gezwungen, sie kurz zu kommentieren, um Gerüchten vorzubeugen.

Auf der Ausgabenseite fallen an:
-    Effizienzsteigerung (kochen und essen tu ich künftig nur noch am 1. des Monats, dafür die 30-fache Menge. Dadurch reduziert sich der Einkaufsrhythmus von zweimal pro Woche auf einmal pro Monat)
-    Outsourcing (unser Nachbar ist pensioniert und deshalb sicher unterbeschäftigt. Neu bringt er den Abfall in den Entsorgungsraum, verträgt die Post in der Wohnung und giesst die Pflanzen
-    Konzentration auf das Kerngeschäft (Freizeitaktivitäten inklusive Besuche bei und von Verwandten und Bekannten kosten nur Zeit und Geld. Sie sind per sofort gestrichen)
-    Priorisierung der Verpflichtungen (Rechnungen zahl ich erst ab der 2. Mahnung. Wer nicht dranbleibt, geht leer aus)
-   Tiefsteuerstrategie (da ich zwei Kinder habe, mache ich künftig alle Abzüge zweimal und gebe nur die Hälfte des Einkommens an)

Alle Massnahmen zusammen führen zu einer Zeitersparnis pro Jahr von mehreren 1000 Stunden. Die monetären Einsparungen werden im tiefen fünfstelligen Bereich geschätzt. Noch nicht berücksichtigt sind die Einsparungen durch die normale Personalfluktuation, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, wie das mit der Fluktuation bei meiner Wenigkeit genau gehen sollte. Und, ach ja, ein kleines Detail: Der Nachbar weiss noch nichts von seinem Glück.

Auch auf der Einnahmenseite setze ich den Hebel an:
-    Gebührenerhöhung (wer Leistungen beziehen will, zahlt künftig kostendeckende, transparente Gebühren. Zum Beispiel: Einmal Wäsche waschen plus zum Trocknen aufhängen: 20 Franken. Einmal Abwaschmaschine ausräumen: 5 Franken. Einmal Mami-Aufwecken in der Nacht wegen Albträumen: 10 Franken. Die amtl. bew. Gebührenordnung ist an der Wohnungstür angeschlagen). Nicht schlüssig bin ich, wie ich die Gebühren bei den Kindern eintreiben soll. Sie erhalten noch kein Sackgeld. Vielleicht eine Vorausbelastung?

So, gespart und entschlackt wäre. Ich bin bereit. Die Zukunft kann kommen!

Ehm – hätte kommen können. Leider wurde mein wohlgeformtes, ausbalanciertes Zukunftspaket vom Familien-Parlament aufgeschnürt und nach hitzigen Debatten zerzaust. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen.

Und so harre ich nun, notgedrungen, der Trends, die da kommen mögen. Das Sparen spar ich mir für später auf.
17. November 2015