Ein Macho und seine Magd

Von Meinrad Buholzer

Kürzlich am Rande eines Fussballplatzes. Ein Ball ist beim Training übers Feld und den haushohen Zaun hinaus gekickt worden und im Bach gelandet. Ein Mädchen des Clubs wird mit der Bergung des Balls beauftragt und muss dazu einen Umweg über eine Brücke nehmen. Während der Aktion postiert sich – oder besser: baut sich auf der andern, der Sportplatzseite, eine machohafter Jungstar des Clubs auf. Breitbeinig, die Hände demonstrativ in die Hüfte gestützt, überwacht er die Aktion. Das Mädchen fischt den Ball aus dem Bach und wirft ihn auf die andere Seite, erwischt den Herrn aber unvorbereitet. Der Ball entgleitet ihm. Und nun zerfällt die Pose. Das Statuenhafte löst sich augenblicklich auf. Die Bewegung wird hastig, übereilt; der Ball soll ihm nicht erneut in den Bach entgleiten. Das wäre eine Blamage. Er greift ihn noch rechtzeitig, und wie er ihn in den Händen hält, bläht er sich wieder auf, nimmt wieder die stolze, überhebliche Haltung ein. Er wendet dem Mädchen den Rücken zu, geht davon, nicht ohne zuvor noch einen besorgten Blick auf seine schönen, neongelb leuchtenden Schuhe geworfen zu haben. Wäre doch schade, wenn sie auf dem sumpfigen Bachbord dreckig geworden wären. Das Mädchen, unauffällig, macht sich wieder auf den Um-Weg über die Brücke zum Sportplatz. Von einem Dank dieses Herrn der Schöpfung an die Adresse seiner „Magd" habe ich nichts gehört.

Ich höre immer wieder, Sport sei eine Charakterschule. Da haben die Verantwortlichen wohl noch viel Arbeit vor sich. Ob sie es wohl schaffen, dieser Aufgabe nachzukommen, bis sich der Jungstar erwachsen fühlt? (Allerdings könnte man den Eindruck gewinnen, dass ein paar Spitzenfunktionäre der FIFA diese Phase auch übersprungen haben.)

Ein PS der Fairness halber: Obenstehender Text im Kasten, schlendere ich wieder dem Bach entlang. Gleiches Missgeschick. Aber diesmal ist es ein Fussballer, der den Ball wieder beschaffen muss und etwas hilflos am Ufer steht – sei's weil keine andere Hilfskraft zur Verfügung stand oder weil es nicht unter seiner Würde ist, auch ausserhalb des Spielfeldes Hand anzulegen.

Zur Person
Meinrad Buholzer, Jahrgang 1947, aufgewachsen in Meggen und Kriens, arbeitete nach der Lehre als Verwaltungsangestellter auf Gemeindekanzleien, danach als freier Journalist für die Luzerner Neuesten Nachrichten LNN. 1975 bis 2012 leitete er die Regionalredaktion Zentralschweiz der Schweizerischen Depeschenagentur SDA. Einen Namen machte er sich auch als profunder journalistischer Kenner der Jazzszene. 2014 erschien sein Rückblick aufs Berufsleben unter dem Titel «Das Geschäft mit den Nachrichten - der verborgene Reiz des Agenturjournalismus» im Luzerner Verlag Pro Libro.