Summer in the City

Von Yvonne Volken

Möglichst viel trinken, Sport nur frühmorgens und allenfalls spätabends, eher Waldspaziergang als Badi und wenn, dann im Schatten eines Baumes und nicht eines Sonnenschirms, Wäsche und Kleider aus Baumwolle, Seide oder Leinen, Wohnung frühmorgens kühlen... An diese und weitere Tipps halte ich mich derzeit sklavisch und beherzige auch weitere Mahnungen: Keinen Kaffee, nur lauwarme Getränke trinken, nicht kalt duschen! "Erhebliche Hitzegefahr" melden die Wetter-Apps für Luzern. Hitzegefahr? Im Vergleich zu anderen Naturgefahren wie Stürmen und Hochwassern sei die Hitze mit Abstand am tödlichsten, vor allem für den älteren Teil der Bevölkerung, stellt ein Meteorologe fest. Ich wische mir den Schweiss von der Stirn und befürchte, dass ich gar nicht so viel trinken wie ausschwitzen kann. Ich seufze und denke, dass…

Dass wir uns doch alle einen heissen Sommer gewünscht haben! Also wir alle, die darauf hoffen, dass ein weiterer Hitzesommer die Klimadebatte am Laufen hält; wir alle, die darauf hoffen, dass im Herbst ein "grüneres" Bundesparlament gewählt wird. Es ist eine Hoffnung, die ja mittlerweile von allen Parteien geteilt wird, ausser von jener Partei, wo schon seit langem eine lachende Sonne über grünen Feldern aufgeht. Darum sollten wir dankbar sein über die derzeitige Hitzelage.

Hinzu kommt, dass wir nun klimaschonend zu Hause bleiben können und nicht mehr in den Süden fahren und den Sommer dort suchen müssen. Ja, ja, ich weiss, der Sommer in unserer mitteleuropäischen, überhitzten Stadt ist nicht das Wahre. Im Süden, dort gab es doch früher diese natürliche, jahrhundertealte Hitze. Auch das Schwitzen war dort viel angenehmer, n'est-ce pas?

Zum Beispiel damals in Südfrankreich, als wir mit dem VW-Käfer (ohne Klimaanlage) über hitzeflimmernde Strassen fuhren, mittags in kleinen Dörfern Halt machten, wo struppige Hunde am Schatten dösten und sonst kein Mensch zu sehen war. Die Nächte waren so warm, dass wir draussen, "irgendwo in der Pampa" unter freiem Himmel übernachteten. Es roch nach Steppengras und in den knorrigen Pinien sägten Zikaden ihre Liebeslieder. Wir assen Büchsenfleisch, trockene Brötchen und tranken warmes Wasser aus dem mitgebrachten Bidon. Manchmal auch warmen Wein oder warmes Bier.

Immer dabei hatten wir unsere Lieblingssongs. "Summer in the City" von Lovin' Spoonful* war damals unser Hit oder auch die romantische Ballade "Sommer 68" von Pink Floyd. Und da waren ein Dutzend weitere Sommersounds, die sich mir jetzt wieder ins Ohr setzen, in meinem schattigen und sehr warmen Luzerner Zimmer, während ich diese Zeilen schreibe. Songs, die ich hier nicht aufzähle, weil Sie, liebe Leserin und Sie, lieber Leser, sich bestimmt gerne Ihre eigene Sommerhit-Liste zusammenstellen. Und dann rauf und runter hören! Das wirkt irgendwie am Besten gegen Hitzestau und Sommerkoller, falls Sie nicht dazu tanzen.

Jawohl: Wir wollen diesen Sommer geniessen, obschon sich hinter unserem hitzigen "Wetter" ein bedrohliches "Klima" verbirgt. Und obschon der geliebte Süden gegenwärtig von einer Höllenhitze heimgesucht wird. Der jüngste Tag ist hoffentlich noch in weiter Ferne. Etwas skeptisch bin ich schon, denn wir mussten damals in der Schule lernen, dass der "Tag des Herrn" kommen wird, "wie ein Dieb in der Nacht" und sich die Elemente "vor Hitze auflösen und die Erde und die Elemente darauf verbrennen werden".

Was soll's! Hoch lebe darum und trotzdem die Sommer-Romantik! Ich höre meine Sommermusik, mache die Holunderblüten-Bowle für meine Lieben und lege mir die passende coole Lektüre parat. "Der eisige Schlaf - das Schicksal der Franklin Expedition". Dann stopfe ich mein Nackenkissen für einige Stunden in den Eisschrank, damit ich mit kühlem Kopf einschlafen kann. Ein schlauer Tipp einer guten Freundin!

Wenn wir nämlich in einem zu warmen Raum schlafen und unsere Körpertemperatur nicht sinken kann, bleibt unser Gehirn nachts aktiver. Folglich steigt das Risiko, einen sommerlichen Alptraum zu haben, weiss die Schlafwissenschaft. Also überdenke ich meine Nacht-Lektüre nochmal und entscheide mich für "Die Turnachkinder im Winter". Genug getippt. Vorläufig werde ich selber weder weitere Hitze-Tipps lesen noch schreiben.

* für alle Fans: Lovin' Spoonful befinden sich momentan noch auf Kreuzfahrt. Ende Juli 2019 aber tourt die Band im Osten Deutschlands. Es hat noch Tickets!

yvonne.volken@outlook.com 

Zur Person:
Yvonne Volken, geboren 1956, hat alle zehn Jahre ihr Berufsfeld radikal verändert, arbeitete als Buchhändlerin, als Journalistin, als Projektleiterin bei der Stadt Luzern, als Literaturveranstalterin und gegenwärtig als Klassenassistentin an einer Primarschule. Ihr ursprünglicher Berufswunsch, Missionarin in Indien, ging nicht in Erfüllung. Heute stellt sie fest: Missionieren kann frau eigentlich überall.

1. Juli 2019