An Veranstaltungen mit lauter Männern nehme ich nicht mehr teil!

Von Cécile Bühlmann

Genau eine Woche nach dem Frauenstreik landete die Einladung an das LUSTAT-Meeting 2019 in meinem Briefkasten. Wie jedes Jahr führt das statistische Amt des Kantons Luzern eine Tagung durch, an die ich als ehemalige Nationalrätin jeweils eingeladen werde. Beim Blick auf das Programm fällt mir als erstes auf: auf sieben Fotos lächeln mir Männer entgegen! Das darf doch nicht wahr sein! Ich schaue das Programm genauer an, aber es lässt sich tatsächlich keine Frau finden, ausser der Gesprächsleiterin, von der es aber nicht einmal ein Bild gibt.

Dass die so etwas wagen, nachdem eine Woche zuvor eine halbe Million Frauen ihren Protest gegen die mangelnde Gleichstellung lautstark auf die Strasse getragen haben, geht mir durch den Kopf! Ein Paradebeispiel der Ungleichheit: sieben Männer erklären uns Frauen wieder einmal die Welt! Es ist für mich ein so grosses Ärgernis, dass ich sofort den Telefonhörer in die Hand nehme und mich mit LUSTAT in Verbindung setze. Leider ist der Chef selber gerade nicht zu sprechen, deshalb lasse ich ihm über seine Mitarbeiterin ausrichten, dass ich grundsätzlich nie mehr an einer Tagung teilnehme, an der ausschliesslich Männer das Sagen hätten. Ob denn das niemandem aufgefallen sei, wollte ich wissen und bekam die Antwort, die dann immer kommt: man habe schon Frauen gesucht, aber keine gefunden. 

Da ich weiss, dass es Männer - meistens linke - gibt, die konsequent nicht an Podien teilnehmen, auf denen nicht mindestens eine Frau sitzt, setze ich mich mit dem einzigen linken Referenten in Verbindung. Ich kenne ihn, er ist Sekretär des Gewerkschaftsbundes und er hatte mich selber schon für Podiumsteilnahmen und als Rednerin an Veranstaltungen angefragt. Deshalb weiss ich von ihm, dass er genderaffin ist. Ich frage ihn, ob er sich der Tatsache bewusst sei, dass er am LUSTAG-Meeting an einer reinen Männerrunde teilnehme und ob das für ihn kein Problem sei. Er antwortet, dass ihn das durchaus störe und er sich bei den Organisatoren erkundigt habe, warum ausser der Moderatorin keine Frau auf dem Podium anwesend sei. Dies sende ein falsches Bild - auch der Luzerner Wirtschaft – aus und dieses Anliegen sei ihm persönlich wichtig. LUSTAT bedauerte ihm gegenüber das Fehlen von Frauen und erklärte gleichzeitig, dass die Vertretungen am Podium grundsätzlich rollenbasiert seien.

Im Klartext heisst das, dass alle Podiumsteilnehmer eingeladen worden sind, weil sie Chefs ihrer Institutionen sind: Direktor des Gewerbeverbandes, Direktor der Wirtschaftsförderung, Geschäftsleiter des Luzerner Gewerkschaftsbundes. Als Referenten gesetzt war auch der Direktor der LUSTAT und der Vorsteher des Wirtschaftsdepartementes. Für die externen Referate wurden dann mehrere Expertinnen angefragt, die offenbar alle abgesagt haben. Ich weiss nicht, welche Frauen angefragt und warum sie alle abgesagt haben, aber die Geschichte kommt mir irgendwie bekannt vor: da sind die wichtigen Positionen von Amtes wegen gesetzt, alles von Männern, da diese ja an allen wichtigen Schalthebeln der Macht sitzen und dann merkt „Mann“, dass noch „die Frau“ fehlt, die dann noch gesucht wird und sich dann leider nicht finden lässt. Und so bleiben die Männer weiterhin unter sich.

Dieses Beispiel zeigt, worum es den streikenden Frauen letzte Woche gegangen ist: sie haben es satt, immer nur die Brosamen, die vom Tisch der Männer fallen, zu bekommen! Sie wollen die Hälfte der Macht und des Einflusses und sie wollen die Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen organisieren, statt einfach sich der von Männern hierarchisch organisierten und geführten Welt anzupassen. Hätten wir diese vom Frauenstreik geforderte Gleichstellung der Geschlechter nämlich bereits umgesetzt, wäre es kein Problem, die Hälfte der Tagung mit Frauen zu besetzen: dann wäre die LUSTAT vielleicht von einer Frau geleitet, vielleicht in Teilzeit oder in einer Co-Leitung, wir hätten mindestens zwei Regierungsrätinnen in der Luzerner Regierung und an der Spitze von Wirtschaftsförderung, Gewerbeverband und Gewerkschaft hätten wir vielleicht Chefinnen. Und die alle würden dann hoffentlich Politik und Wirtschaft so verändern, dass Frauen und Männer daran gleichberechtigt teilhaben und dafür sorgen, dass Politik, Beruf und Familie sich miteinander verbinden liessen. Wetten, dass dann Frauen auch in Leitungsfunktionen der Normalfall wären?  
25. Juni 2019  

Zur Person

Cécile Bühlmann, geboren und aufgewachsen in Sempach, war zuerst als Lehrerin, dann als Beauftragte und als Dozentin für Interkulturelle Pädagogik beim Luzerner Bildungsdepartement und an der Pädagogischen Hochschule Luzern tätig. Von 1991 bis 2005 war sie Nationalrätin der Grünen, 12 Jahre davon Präsidentin der Grünen Fraktion. Von 2005 bis 2013 leitete sie den cfd, eine feministische Friedensorganisation, die sich für Frauenrechte und für das Empowerment von Frauen stark macht. Seit 2006 ist sie Stiftungsratspräsidentin von Greenpeace Schweiz und Vizepräsidentin der Gesellschaft Minderheiten Schweiz GMS. Seit anfangs 2014 ist sie pensioniert und lebt in Luzern.