Was ist ein fairer Lohn für eine 24-Stunden-Betreuung? Um diese und andere Fragen ging es an der Sensibilisierungsveranstaltung zum Thema Menschenhandel und Ausbeutung in der Care-Arbeit. Von links: Xenia Wassihun (CareInfo), Jenny Lambrigger (ACT212), Sandro Colantuoni (Kantonale Gewerbeaufsicht), Bozena Domanská (Betreuerin) und Julia Rettenmund (Justiz- und Sicherheitsdepartement). Bild: Verena Killa Korrodi

«Wir sind doch keine Sklavinnen»

Ausländische Betreuende, vorwiegend Frauen aus dem Osten, arbeiten oft unter prekären Bedingungen. Einige werden nun dem Arbeitsgesetz unterstellt. Doch es gibt weiter Gesetzeslücken.

Von Hans Beat Achermann

«Betreuung zuhause – unter fairen Arbeitsbedingungen» lautete der Titel einer Informationsveranstaltung des kantonalen Justiz- und Sicherheitsdepartements. Darin ist natürlich bereits enthalten, dass die Anstellungsverhältnisse nicht immer nur fair sind. Mit dieser Sensibilisierungsveranstaltung wollten Fachleute auf die Schwachstellen der heutigen Gesetzgebung hinweisen, aber auch Möglichkeiten der Bekämpfung von Missbrauch – im extremen Fall Menschenhandel – aufzeigen.

Regierungsrätin Ylfete Fanaj betonte in ihrer Begrüssung den Stellenwert der Care-Arbeit, die vorwiegend von Frauen geleistet wird. Sie wies aber auch auf Lücken in der Gesetzgebung hin, die Ausbeutung vor allem auch von Migrantinnen begünstigten. Ein erster wichtiger Schritt zur Verbesserung der Situation sei das Zusammenspiel aller Akteure. Und dazu diente diese Veranstaltung, die rund 50 Interessierte in den Marianischen Saal lockte.

Kontrollen im Privathaushalt sind schwierig
Mit der Zunahme der Menschen im höheren Alter und dem verstärkten Wunsch, im eigenen Zuhause den Lebensabend zu verbringen, hat der externe Pflegebedarf massiv zugenommen. Nicht immer können Angehörige die Pflege übernehmen. Deshalb kommt häufig «Hilfe aus dem Osten», wie ein SRF-Dok-Film heisst. Diese Personen, fast nur Frauen, sind zu verschiedensten Bedingungen angestellt: Einige werden von den zu Betreuenden direkt angeheurt, andere über Organisationen vermittelt und nochmals andere über Personalvermittlungsbüros. Und gerade darin liegt das Problem, das von Xenia Wassihun, Präsidentin von «CareInfo» und Gewerkschafterin, verständlich erläutert wurde.

Nach einem Bundesgerichtsurteil sind neu alle sogenannten Live-ins, also Personen, die 24 Stunden in einem Privathaushalt tätig und wohnhaft sind, dem Arbeitsgesetz unterstellt. Doch dies Regelung gilt nicht für diejenigen, die direkt, also ohne vermittelnde Organisation, angestellt wurden. Dass es in diesen Fällen schwierig ist, Kontrollen durchzuführen, bestätigten die Vertreter der Gewerbeaufsicht. Und wenn dann ein Fall zur Anzeige gebracht wird, kann er häufig nicht juristisch abgeschlossen werden, da die Beweislast schwierig ist und die Verfahren oft Jahre dauern. Unterstützung leistet neben andern die Meldestelle des Vereins ACT212, der auch Schulungen und Beratung im Bereich Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung anbietet, wie Jenny Lambrigger anhand von Folien ausführte.

Aufklärung ist nötig
Die gebürtige Polin Bozena Domanská, die selber als Betreuerin arbeitet und andere berät, wies auf eine grundlegende Problematik hin, die zur Ausbeutung führen kann: Die Ansicht, dass Betreuung in der Natur der Frau liege und nicht als Arbeit angesehen werde, sei immer noch verbreitet. Sie forderte Respekt, Wissen und Energie, um Missbräuche zu bekämpfen und sie rief auch zur Solidarität auf. Doch gerade darin liegt eine Schwierigkeit: Betreuende Migrantinnen sind sehr oft isoliert oder werden sogar bewusst abgeschottet.

Die Veranstaltung zeigte, dass sich die Situation von betreuenden Migrantinnen punktuell bereits verbessert hat und dass die letzten Gerichtsurteile in die richtige Richtung gehen. Sie machte aber auch klar, dass faire Behandlung und gerechte Löhne immer noch keine Selbstverständlichkeit sind. Was denn ein fairer Lohn sei, wollte ein Teilnehmer aus dem Publikum wissen. «Alles mit einer 4 voran», antwortete Xenia Wassihun, also mindestens 4000 Franken. Heute sind immer noch Löhne zwischen 1500 und 3000 gang und gäbe. Die Bemühungen und Kämpfe gegen Ausbeutung werden also weitergehen, denn: «Wir sind doch keine Sklavinnen», wie es Bozena Domanská pointiert formulierte.

Weitere Informationen: www.act212.ch und www.careinfo.ch

5. November 2025 – hansbeat.achermann@luzern60plus.ch