Corona im Alltag(6)

Zurechtfinden in einer ver-rückten Welt

Von Monika Fischer

Auch nach fünf Notstand-Tagen fühle ich mich oft wie im falschen Film. Die Bilder der Fernsehwerbung scheinen aus einer weit entfernten Zeit zu stammen. Rasant hat sich alles verändert. Es ist eine ver-rückte Welt. Sie zu begreifen, braucht Zeit.

Ich lebe zwischen Schock, Unsicherheit und Faszination. Endlich hat die Gesellschaft die Bedeutung der Grosseltern und der Care-Arbeit erkannt, freue ich mich. Fantastisch, was die Lehrpersonen aller Stufen für das Homeschooling in kürzester Zeit auf die Beine stellten. Welche Kreativität manche Geschäfte mit Hauslieferdienst entwickelt haben. Wie schnell der Bund finanzielle Hilfe aufgegleist hat. Wie sich eine Welle von Verbundenheit, von Solidarität und Hilfsbereitschaft über das Land ausbreitet. «Füreinander da sein», lautet jetzt die Devise. Ist es der Anfang einer neuen Gesellschaft, bei der die Sorge für Mensch und Natur im Zentrum steht, statt Machbarkeitswahn und dem Streben nach immer besser, schneller, mehr? 

Panik erfasste mich, als ich von der Ausgangssperre für Menschen ab 65 im Kanton Uri hörte. Alles in mir wehrt sich gegen einen Hausarrest. Es sind die Spaziergänge durch den nahen Wald, die mein Immunsystem stärken und mich wieder ins Gleichgewicht bringen. Zudem spüre ich meine Mühe, von andern Menschen abhängig zu sein. 

Endlich kehrt mein Mann aus Sibirien zurück, wo er sich wie auf einem anderen Planeten fühlte. Die Sprachschule hatte die Rückreise für ihn organisiert. Wie privilegiert wir doch selbst in einer Notsituation sind! Dies im Gegensatz zu den geflüchteten Menschen, die jetzt an den Aussengrenzen der Festung Europa oder in den Flüchtlingscamps vergessen gehen. 

30.03.2020