Die Historiker Ruedi Meier (Bild) und Kurt Messmer erklären die „Stadt am Wasser". Hinter der Kamera Jörg Huwyler.

Immer in die Kamera blicken

Die Historischen Spaziergänge werden aufgrund der Coronakrise nicht durchgeführt. Stattdessen laden die Historiker Kurt Messmer und Ruedi Meier zu audiovisuellen Stadtführungen ein. Besuch auf dem Filmset.

Von Beat Bühlmann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)
Prompt beginnt es zu regnen, als sich Jörg Huwyler und Kurt Messmer auf dem Filmset vor der Matthäuskirche für die Dreharbeiten bereitmachen. Also stellen sie sich unters schützende Portal. Der Filmer Jörg Huwyler stellt seine Kamera auf, der Protagonist Kurt Messmer wirft einen letzten Blick ins Drehbuch und spricht probehalber seinen Text: «Hinter dem renommierten Schweizerhof steht die 1861 erbaute Matthäuskirche, die erste reformierte Kirche der Stadt Luzern...» Huwyler unterbricht. «Du bist etwas dunkel im Gesicht.» Sie wechseln die Position. Huwyler, Kameramann, Regisseur und Tontechniker in einem, stellt das Stativ etwas höher, sodass sich die Kamera und der erzählende Historiker auf Augenhöhe gegenüber stehen. Huwyler prüft den Bildausschnitt, korrigiert Messmer («Du musst die Schulter hochnehmen») – und stoppt die Aufnahme. Ein prallgelbes Postauto fährt unverhofft in die Szene, ein unerwünschter Blickfang. Sie warten, bis der Pöstler wegfährt.

Stadtgeschichte erlebbar machen
Aufgrund der Covid-19-Pandemie fallen die historischen Spaziergänge der Stadt Luzern, die jeweils rund 80 Personen begeisterten, dieses Jahr ins Wasser. Mirjam Müller-Bodmer, Leiterin Entwicklung Projekte der Abteilung Alter und Gesundheit bei der Sozialdirektion, hat sich deshalb entschlossen, ein neues Format zu erproben. Zum einen sollen von Filmemacher Jörg Huwyler zwei audio-visuelle Stadtführungen mit den Historikern Ruedi Meier und Kurt Messmer gedreht, zum anderen ein Leporello erstellt werden, das mit Bildern und Geschichten den visuellen Spaziergang ergänzt. Unter der thematischen Klammer «Stadt am Wasser» und ausgehend vom KKL, dem Kultur- und Kongresszentrum Luzern, führt Ruedi Meier durch das ehemalige Sumpfgebiet in Tribschen zum Wagner-Museum, während Kurt Messmer vom KKL zur Hofkirche spaziert und Geschichten zu den historisch bedeutsamen Bauten erzählt. In der Matthäuskirche, so erfahre ich bei den Dreharbeiten, haben Richard und Cosima Wagner geheiratet.

Maximal vier Minuten wird die Einstellung zur Matthäuskirche dauern, mindestens eine Stunde Dreharbeit rechnet der Filmer Jörg Huwyler für jede der acht Stationen. Denn Aussenaufnahmen sind ein heikles Metier. «Es ist laut in dieser Stadt», sagt Huwyler, der über den Kopfhörer alle Geräusche besonders gut hört. Autos und Töffs, Militärjets und Helikopter, Schiffshörner und Vögel. Oder ein Kärcher, mit dem der KKL-Vorplatz ausgerechnet am Drehtag gereinigt wird. «Und mittags kannst du das Filmen im Hochsommer ohnehin vergessen, weil die Sonne zu grell ist und zu harte Schatten wirft.» Da sei der Dreh zuweilen eine echte Geduldsprobe.

Alles nach Drehbuch
Doch auf dem Filmset haben Filmer und Historiker, jeder auf seine Art ein Perfektionist, den Spass am Drehen, die Freude am präzisen Detail keineswegs verloren. «Ich werde von Jörg enorm unterstützt und profitiere von seiner professionellen Kompetenz», sagt der Historiker Kurt Messmer. Beim Filmen kann er sich nicht wie gewohnt direkt an seine Zuhörerinnen und Zuhörer wenden, um spontan auf Fragen und Bemerkungen zu reagieren. Stattdessen muss Messmer direkt in die Kamera schauen und so den Kontakt zu seinem (unbekannten) Publikum suchen.

Kurt Messmer versteht sich als Moderator und Stadtwanderer, der zu einem genauen Hinschauen animieren will. Allerdings ist die freie Vortragsrede, die bei den bisherigen historischen Spaziergängen so gut zur Geltung kam, jetzt nicht mehr möglich. Das Drehbuch zwingt ihn in ein zeitliches Korsett, fürs Improvisieren bleibt nicht allzu viel Spielraum. Aber immerhin: Als aus der Matthäuskirche leise Orgeltöne zu vernehmen sind, darf ich, erstmals in der Rolle des Filmassistenten, die Türe öffnen – so wird der Kameraschwenk wunderbar mit Musik untermalt. Die Szene bei der Matthäuskirche ist nun im Kasten. – 28.7.2020

Filme und Leporello werden Mitte August an einer Medienorientierung vorgestellt und sind dann über das Stadtportal zugänglich.

beat.buehlmann@luzern60plus.ch