Theater- und Radiomann Buschi Luginbühl: Auf verschiedensten Bühnen zuhause.

Buschi Luginbühl: Ein Theaterleben mit vielen Rollen  

Er choreografierte den Luzerner Papstauftritt, inszenierte u. a. das Schreckmümpfeli und unzählige Hörspiele als Regisseur beim Radio, war Mitglied der Spielleute und Mitbegründer der Theatertruppe Il Soggetto: Buschi Luginbühl, der Mann mit dem seltenen Vornamen.Von Hans Beat Achermann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Am Anfang des Gesprächs war eine halb verblasste gemeinsame Erinnerung: Irgendwann in der Mitte der siebziger Jahre hatten wir zwischen Weihnachten und Neujahr im Burgund zusammen eine Flasche Meurseult getrunken. Jahrzehntelang sind wir uns danach nicht mehr begegnet. Jetzt, am Ende des Gesprächs in Buschi Luginbühls 2-Zimmer-Altbauwohnung im Bruchmattquartier stossen wir wieder an, diesmal mit einem Glas Roten. Dazwischen liegt ein vielseitiges und spannendes Theaterleben, das Buschi in zweieinhalb Stunden zusammenfassend Revue passieren lässt. Packend, humorvoll und leidenschaftlich erzählt der 78-jährige gebürtige Kuonimättler von seinen unzähligen Begegnungen mit Theatermenschen, von Radio- und Bühneninszenierungen, von Liebe und Verlust, von Erfolgen und Zufällen und natürlich von seinem kurligen Vornamen, den er einer Tante zu verdanken hat. «Diese fand, dass ich ein herziges Buscheli sei, doch als ich drei war, sagte sie: Jetzt bist du kein Buscheli mehr, jetzt bist du ein Buschi.» Von da an nannten ihn alle immer nur Buschi, und als dann auch sein erster Telefonbucheintrag auf Buschi Luginbühl lautete, war er endgültig der Buschi. Nur noch im Theaterlexikon steht: Buschi, eigentlich Alfred Otto L.

Eptängschee und Geislezwick

38 Jahre lang war er weg von Luzern. Über 30 Jahre lebte er mit seiner Lebens- und Theaterpartnerin Franziska Kohlund in Stäfa an der Goethestrasse. Vor sechs Jahren ist Franziska Kohlund an Krebs gestorben, vor bald zwei Jahren hat sich Buschi entschlossen, wieder in die Innerschweiz zu ziehen, wo auch ein Teil seiner Familie und ein immer kleiner werdender Freundeskreis leben. 

Die berühmten Bretter, die auch für Luginbühl seit vielen Jahrzehnten die Welt bedeuten, waren anfänglich ein Schulhaus-Aula-Boden, gleich als Hauptdarsteller. Als 3.-Klässler, so erinnert sich der kürzlich Urgrossvater Gewordene, musste er bei einer Schulaufführung den Satz sagen: «Voilà, Eptinger», und erst noch französisch ausgesprochen: Eptängschee. Der Lehrer verzweifelte darob beinahe. Eine weitere Bühnenstation war das Cabaret Geislezwick in Kriens. Das Berufsziel Grafiker verhinderte der Berufsberater: «Brotlos.» An Schauspieler traute er schon gar nicht zu denken. Stattdessen lernte er Hochbauzeichner. Kaum aus der Lehre, hatte er das Glück,  beim Bau der Kantonschule Alpenquai massgeblich an der Projektbereinigung beteiligt zu sein: «Das war quasi mein angewandtes Architekturstudium.» Später hatte er mit zwei Freunden ein eigenes Büro im Süesswinkel, die Wohnung mit der inzwischen fünfköpfigen Familie lag ebenfalls in der Altstadt an der Furrengasse. 

Il Soggetto als familiärer Mittelpunkt

Wichtig wurden für die Luginbühlsche Theaterkarriere die Luzerner Spielleute: Anfänglich ging es darum, mit Kinder- und Jugendtheater alte Spielleute-Schulden loszuwerden. So spielten sie vorwiegend Märli für Kinder auf der Luzerner Landschaft, unterstützt vom Rabattsparverein. Später entstanden eigene Projekte, die Gruppe Bobibibifax, und irgendwann stand – provoziert von seinem Bürokollegen – der Entscheid an: Ganz aufs Theater setzen oder als Amateur weitermachen. Wobei das damalige Engagement bereits über ein Hobby hinausging. Peter Schulz, ehemaliger Ausbildungschef bei SRF, ermunterte Buschi, sich als Stagiaire beim Radio zu bewerben. Das klappte und das Radio blieb viele Jahre eine der Wirkungsstätten für den Innerschweizer. Unzählige Hörspiele entstanden unter seiner Regie, auch das «Schreckmümpfeli» war lange sein Kind, er interviewte Berühmtheiten am «Prominenten Mikrofon». Studiogast zu Ostern 1984 war die Schauspielerin Margrit Winter, an Pfingsten folgte deren Tochter, die Regisseurin Franziska Kohlund. Das war der Anfang einer langjährigen Liebe und auch der Anfang der freien Theatertruppe Il Soggetto, die sie miteinander lange Jahre sehr erfolgreich leiteten, als Schauspielende, Regie Führende und Produzierende, viele Jahre quasi als «Familienbetrieb» Kohlund-Winter-Luginbühl. 16 Stücke haben sie gemeinsam zur Aufführung gebracht, nie subventioniert. Häufiger Gast war auch der langjährige Schauspielhaus-Mime Peter Brogle. Die allerletzte Vorstellung von Il Soggetto fand im März 2019 statt –  im Gedenken an Franziska Kohlund.

Sekt mit der Fürstin

Eine von vielen Anekdoten aus der Radiozeit muss zwingend in diesen Text – die Begegnung mit der Fürstin Gina von Liechtenstein als Gast für «Das prominente Mikrofon»: Sie brachte den Sekt gleich selbst mit – denn nach der Aufnahme im Studio St. Gallen wurde angestossen. Und dann erzählt der ehemalige Radiomann, wie die Fürstin vor der Ausstrahlung der von ihm bearbeiteten Aufnahme im Schloss Vaduz wie ein Teenager auf dem Boden sass, die Schuhe ausgezogen und die Sendung anhörte, erst nachdem der Staatssekretär das richtige Tonbandgerät unten im Städtchen aufgetrieben hatte und Buschi in der Zwischenzeit eine Schlossführung durch die Fürstin persönlich bekam. Derweil sass  Fürst Franz Josef II. ungerührt im Lehnstuhl und las mit Handschuhen Zeitung – aus Angst vor einer Virusinfektion. Die Sendung gefiel der Fürstin so gut, dass sie anschliessend damit die europäischen Adelshöfe beehrte. 

Das Fürstentum Liechtenstein war 1981 bis 1984 auch eine von Buschis Wirkungsstätten: Als Dramaturg und Regisseur am Theater am Kirchplatz in Schaan verantwortete er die Kinder- und Jugendtheater-Produktionen sowie die Jazzkonzerte  Eine Zeitlang war er in Mauren im Fürstentum Untermieter der Witwe von Fritz von Opel. Aber das ist wieder eine Begegnung, die viele Anekdoten und Geschichten hergäbe, wie die Begegnungen mit vielen berühmten Theaterleuten und den Jazzmusikern wie Max Roach oder Stan Getz, die Luginbühl ins kleine Fürstenturm ins Theater holte. 1981 durfte Luginbühl bei Rudolf Noeltes «Dantons Tod»-Inszenierung in Salzburg hospitieren und bei den Proben als Markeur zusammen mit Stars wie Goetz George oder Christian Quadflieg auf der Bühne stehen. Noelte weigerte sich übrigens, Buschi Buschi zu nennen und befahl ihm zudem: Der Bart muss weg! Er ist immer noch weg, geblieben ist ein buschiger grauer Seehundschnauz, ein bisschen wie bei Günter Grass. 

Als Reformierter den Papstauftritt choreografiert

Und dann ist noch die Geschichte mit dem Papst: Als Johannes Paul II. 1984 Luzern besuchte, bat der damalige Staatsschreiber Franz Schwegler Luginbühl, die Regie für den Papstauftritt auf der Allmend zu übernehmen. Buschi sagte zu («Ich erhielt den Auftrag, obwohl ich reformiert bin») und setzte Bedingungen: Es durfte nichts auch annähernd Faschistisches werden, also möglichst wenig Pomp, sondern ein lustvolles Feiern mit Bigband-Musik, Jodelmesse, Osterspielszenen, Dimitri-Schülern und vielen Ministrantinnen und Ministranten. Der Balanceakt gelang, eine italienische Zeitung bezeichnete Luginbühl als «Zeffirelli der Schweiz» und der Papst liess ihn später via den damaligen Bischof Otto Wüst grüssen.

Imagine – stell dir vor: Das ist der Anfang jeder Theaterarbeit und so heisst auch die bis anhin letzte Arbeit von Buschi Luginbühl (zusammen mit Till Löffler am Theater Ticino in Wädenswil): eine musikalisch-theatralische Spurensuche nach John Lennon, die nochmals am 40. Todestag von Lennon am 8. Dezember gespielt wird. «Ich denke, meine Arbeit wird vollendet sein, wenn ich tot bin und ich hoffe, bis dahin vergeht noch viel Zeit.» Das Zitat von John Lennon trifft auch auf Buschi Luginbühl zu. Die Frage nach dem Älterwerden beantwortet er lachend mit dem sinngemäss zitierten Satz eines lieben Bekannten aus Liechtensteiner Zeit, des kürzlich verstorbenen Schriftstellers Günter Kunert: «Älterwerden ist interessant, man entdeckt immer wieder neue Orte, wo es auch noch weh tun kann.» Thema beendet. Nicht Schmerzen oder Gejammer sind angesagt, sondern neue Projekte: Imagine!

21. Oktober 2020