Meinrad Buholzer (Bild Joseph Schmidiger)

Wie man Museen an die Wand fährt

Von Meinrad Buholzer

Stellen Sie sich vor: Sie wohnen an bester Lage, Bushaltestelle vor dem Haus, auch der Mietzins stimmt. Nun kommt Ihr Vermieter, meldet Eigenbedarf und will, dass Sie in eine abseits gelegene, unattraktive, seit Jahren leerstehende Wohnung umziehen. Die Wohnfläche ist ein Drittel kleiner, der Mietzins ein Drittel höher. Keine ÖV-Anbindung, zudem an einer steilen Strasse gelegen, auf der sie künftig die Einkäufe hinauf stemmen müssten. Würden Sie einwilligen? Wohl kaum!

Genau das aber schlägt uns die Luzerner Regierung vor: Die Zusammenlegung des Natur- und des Historischen Museums im alten Zeughaus Musegg zu einem neuen Museum für Natur, Geschichte und Gesellschaft. Die heutige Museumsfläche würde von 3100 auf 1980 m² (minus 36,1 Prozent) schrumpfen, die Betriebskosten dagegen von 4,6 auf geschätzte 5,9 Mio. Franken (plus 28,3 Prozent) steigen. Dazu kommen nach grober Schätzung Investitionen von 35 bis 37 Mio. Franken (wie immer mit einer Toleranz von plus/minus 20 Prozent; sie können also ohne weiteres auf 45 Mio. steigen); damit soll das Zeughaus baulich angepasst, neu ausgestattet, für Fussgänger besser erschlossen und ein externer Kulturgüterraum errichtet werden.

Die Regierung findet dieses Projekt toll. Man kann das verstehen: Einerseits hätte man endlich eine Verwendung für das überflüssige Zeughaus, für das man seit Jahren vergeblich nach einer Nutzung mit profitablen Mietzinseinnahmen sucht; anderseits könnte man dem Gremium der Kantonsrichter in den ehemaligen Museen am Kasernenplatz den geforderten repräsentativen Sitz (Gerichtsmeile!) verschaffen. Aber damit ist auch schon Schluss mit den Vorteilen dieser Schnapsidee aus dem Ritterschen Palast.

Dass die Zusammenlegung von zwei fachlich so verschiedenen Museen, die über die Region hinaus Anerkennung gefunden haben, keinen Sinn macht, haben die ehemaligen Museums-Direktoren Josef Brülisauer und Peter Herger in einem Leserbrief in der «Luzerner Zeitung» klargestellt. Davon abgesehen kann man sich fragen, ob es sinnvoll ist und von einem sorgfältigen Umgang mit Finanzen zeugt, ein 1986 eröffnetes und erst 2003 für 5,5 Mio. Franken umgebautes (Historisches) Museum zu «liquidieren» und ein neues Museum zu bauen. Aber offenbar kann es sich der Kanton Luzern leisten.

Geradezu unfreiwillige Ironie ist, dass am Anfang dieses Projektes eine Sparübung stand: die Betriebskosten des Natur-Museums sollten jährlich um1 Mio. Franken reduziert werden. Jetzt wird alles teurer. Die Kosten steigen überproportional; dazu kommt eine hohe Investitionssumme, u.a. für einen neuen, externen Kulturgüterraum. Das ist eine wirklich originelle Art zu sparen! Richtig gespart wurde freilich an anderer Stelle, indem man in beiden Museen «massiv Fachkompetenz abgebaut» hat (Brülisauer/Herger).

Es lässt sich leicht vorhersehen, was bei kommenden Sparrunden passiert. Man wird feststellen, dass die Betriebskosten des neuen Museums zu hoch sind und gekürzt werden müssen (auf die Mieteinnahmen wird der Kanton aber kaum verzichten wollen). Und weil es am neuen, wenig attraktiven Domizil weniger Besucher anzieht, müssten Konzept und Betrieb überprüft und – wie es so schön heisst – an die veränderten Gegebenheiten angepasst werden. Klartext: Es ginge ein weiteres Mal an die Substanz, das Museum würde ausgeblutet. Das grenzt an ein vorsätzliches An-die-Wand-fahren zweier bewährter, attraktiver Museen, die zweifellos von ihrer optimalen Lage profitiert haben.

Gesetzt den Fall, ich hätte einen Plan für eine Kultureinrichtung mit Publikumsverkehr und würde die öffentliche Hand um einen Beitrag bitten, dann wäre eine der ersten Fragen dieser Hand: Und wie steht es mit der Anbindung an den ÖV? – Nun ja, der Ort ist etwas abgelegen, aber ich werde mir schon noch etwas einfallen lassen, wie man Alte und Behinderte dorthin bringt. – Na gut, würde mir die öffentliche Hand antworten, überdenken sie die Sache nochmals und sorgen sie für eine bessere Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und wenn sie diese Hausaufgabe gemacht haben, können sie uns ja noch einmal fragen.
Die Hausaufgabe zu machen, das wäre auch der Luzerner Regierung zu empfehlen.

25. März 2021
meinrad.buholzer@luzern60plus.ch

Zur Person
Meinrad Buholzer, Jahrgang 1947, aufgewachsen in Meggen und Kriens, arbeitete nach der Lehre als Verwaltungsangestellter auf Gemeindekanzleien, danach als freier Journalist für die Luzerner Neuesten Nachrichten LNN. 1975 bis 2012 leitete er die Regionalredaktion Zentralschweiz der Schweizerischen Depeschenagentur SDA. Einen Namen machte er sich auch als profunder journalistischer Kenner der Jazzszene. 2014 erschien sein Rückblick aufs Berufsleben unter dem Titel «Das Geschäft mit den Nachrichten - der verborgene Reiz des Agenturjournalismus» im Luzerner Verlag Pro Libro.