Das gute Beispiel: Die neuen Alterswohnungen im Guggi.

Wann endlich baut die Stadt neue Alterswohnungen?

Rund 90 Personen warten auf einer Dringlichkeitsliste von Viva Luzern auf eine bezahlbare Alterswohnung. Es sind nicht die Einzigen. Für den Bau von solchen Wohnungen fühle sich in Luzern offensichtlich niemand so richtig verantwortlich, meint Viva-Verwaltungsratspräsident Rolf Krummenacher.

Von Rene Regenass (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Es brauche Alterswohnungen mit und ohne Dienstleistungen, sagte Stadtrat Martin Merki am 8. Juli anlässlich der Vorstellung des Berichtes zum Projekt «Alterswohnen integriert». Das Ganze sei ein Prüfauftrag für eine integrierte Organisation aus Viva, Spitex und Vicino.

Im entsprechenden B+A des Stadtrates, der am 23. September vor das Stadtparlament kommt, liest man dann, dass bis im Jahre 2045 mit einer Zunahme von 40 Prozent, das sind rund 5700 über 65 Jahre alte Personen, zu rechnen sei. Also werde die Nachfrage nach altersgerechtem Wohnraum steigen. Das Forum Luzern60plus vermisst in seiner Stellungnahme «eine klare Strategie des Stadtrates, wie er dem Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in Zukunft gerecht werden wolle».

Grossstadtrat Marco Müller (Grüne), der das Thema bezahlbarer Wohnraum für ältere Menschen mit einer im Sommer 2019 überwiesenen Motion lanciert hat, sagte im Juli zum B+A des Stadtrates, er finde die Stossrichtung mit der integrierten Versorgung «eine gute Sache». Doch auch er vermisst eine Auslegeordnung mit einer Analyse des Wohnungsbestandes.

Wir haben versucht, Antworten zum aktuellen Bedarf und zum Angebot von zahlbarem Wohnraum zu bekommen, bei der Stadt, bei Viva, bei der Pro Senectute und bei der Baugenossenschaft abl.

Anlaufstelle Alter: Die Mietpreise stimmen nicht

Evelyne Schrag, die Leiterin der städtischen Anlaufstelle Alter an der Winkelriedstrasse sagt, dass viele ältere Menschen in der Stadt Luzern eine kleinere bezahlbare Wohnung suchten. Es bestünden wenige Angebote dieser Art. Auffallend gefragt seien Wohnungen mit Dienstleistungen, die in der Stadt Luzern noch rar angeboten würden.

Viva: Diamant-Umbau in der Projektierungsphase

Seit rund zwei Jahren weiss man von Plänen, wonach im Haus Diamant des Alterszentrums Eichhof neue Alterswohnungen eingerichtet werden sollen. Man stehe jetzt in der Projektierungsphase, schreibt Viva-Mediensprecherin Gabriela Murer. Nachher folgen die Ausschreibungen für Architekten und Bauunternehmen. Es dauert also, bis diese Wohnungen bezogen werden können, nicht vor 2025. 33 Wohnungen sind geplant, vorwiegend 2½-Zimmer. Die Mietpreise müssten bezahlbar sein und orientierten sich an den neuen Alterswohnungen an der Taubenhausstrasse (1400 bis 2000 Franken ohne Nebenkosten).

«Die Nachfrage nach Alterswohnungen ist sehr hoch», schreibt Gabriela Murer. Dies manifestiere sich vor allem dann, wenn andere Liegenschaften kernsaniert würden und die Bewohner und Bewohnerinnen eine andere Bleibe suchen müssten. Viva hat aktuell eine Dringlichkeitsliste von rund 90 Personen. Ein Kriterium für die Dringlichkeit ist das AHV-Alter. Wenn die interessierten Personen offen seien für verschiedene Siedlungen und Quartiere, sollten sie rechtzeitig eine Alterswohnung finden. Auf die Frage, ob Viva Pläne für weitere Alterswohnungen habe, heisst es, es liefen entsprechende Abklärungen. Konkretes ist da also, trotz der Dringlichkeit, nicht in Sicht.

Pro Senectute: «Das Angebot ist bescheiden»

Der Markt für bezahlbare Wohnungen für ältere Menschen sei in Luzern angespannt, sagt Simon Gerber von der Sozialberatung von Pro Senectute. Aktuell sind auf Online-Immobilienportalen viele günstige Wohnungen für unter 1300 Franken pro Monat aufgeschaltet. «Aber die Wohnungen sind nicht altersgerecht.» Simon Gerber formuliert es so: «Es gibt mehr Bedarf, als Angebote da sind. Und das Angebot an bezahlbaren, altersgerechten Wohnungen ist weiterhin bescheiden.»

Gerber betont aber auch die Wichtigkeit, sich frühzeitig mit dem Thema Wohnen im Alter auseinanderzusetzen und mögliche Lösungen zu prüfen. «Damit kann verhindert werden, dass zum Beispiel ein verfrühter Heimeintritt nach einem Sturz notwendig wird. Eine weitere Gefahr bei einem plötzlichen Umzug besteht darin, dass man nebst dem ‹Daheim› auch das gewohnte Umfeld im Quartier verliert. Es brauche mehr bezahlbare Alterswohnungen, in denen Betreuungs- und Pflegeleistungen bezogen werden können, so wie dies das Projekt ‹Alterswohnen integriert› vorsieht.» Simon Gerber weiss noch um andere Probleme: «Ältere Menschen, die keinen Internetzugang kennen, haben ohne Unterstützung durch Familie oder Freunde oft Mühe, überhaupt an die richtigen Wohnungsinserate zu gelangen. Die Unterstützung durch Pro Senectute bei der Wohnungssuche wird darum sehr geschätzt.»

Baugenossenschaft abl: Grosse Nachfrage

Die abl konstatiert eine grosse Nachfrage nach den 2½-Zimmerwohnungen in den Himmelrich-Neubauten. «Es gibt viele Bewerbungen bei den Wiedervermietungen. Und die Nachfrage nach den zusätzlichen Wohnungen der zweiten Bauetappe an der Claridenstrasse ist gross», sagt Benno Zgraggen, Leiter Kommunikation bei der abl.

Die 2½-Zimmerwohnungen der ersten Bauetappe im Himmelrich kosten zwischen 1305 Franken (65 m2) und 1683 Franken (80 m2). Die abl baut übrigens weitere Wohnungen im Obermaihof und an der Bernstrasse. Dort kosten die 2½-Zimmerwohnungen zwischen 1050 und 1400 Franken (zwischen 52 und 70 m2 gross). Sie sind 2023 bezugsbereit.

Die Politik ist gefordert

Rolf Krummenacher, Verwaltungsratspräsident von Viva Luzern, stimmt den Aussagen der Anbieter von Alterswohnungen zu: «Der Bedarf für mehr Wohnungen ist da, eindeutig. Das Angebot wird zwar vom Markt abgedeckt. Aber diese Wohnungen sind für die meisten älteren Menschen nicht bezahlbar. Und sie befinden sich nicht in den zentralen Quartieren der Stadt, sondern abseits, am Rand in Neubaugebieten.»

Viva Luzern sei nicht aktiv auf diesem Wohnungsmarkt, sagt Krummenacher auch. Doch es würden Angebote von Mietobjekten an sie herangetragen. Diese werden ernsthaft geprüft. Und sie lägen zum Teil im gemeinnützigen Bereich. Doch Konkretes lässt sich da noch nicht festmachen. Absichten für die Erstellung von Alterswohnungen beständen jedoch im Gebiet der Zentren Dreilinden und Eichhof sowie im ewl-Areal, sagt Rolf Krummernacher.

Auf die Frage, wer in Luzern eigentlich zuständig sei für den Bau von Alterswohnungen, sagt Krummenacher, es fühle sich offensichtlich niemand so richtig dafür verantwortlich.

Martin Merki: «Stadt muss mehr steuern»

In dieser Richtung spricht auch Stadtrat und Sozialdirektor Martin Merki. «Die Stadt muss mehr steuern und Einfluss nehmen. Aber es ist nicht Aufgabe der Stadt, selber zu bauen.» Früher war es in Luzern die Bürgergemeinde, die Alterswohnungen baute. Merki weist auch darauf hin, dass das Parlament 2011 entschieden habe, die Alterswohnungen ins Finanzvermögen der Stadt zu verschieben. Die Verantwortung für die Renovation von Alterswohnungen liegt beim Bau. Und da ist in den vergangenen Jahren mit Ausnahme der gelungenen Renovation des Hauses Guggi an der Taubenhausstrasse nichts geschehen. Auf die im gleichen Quartier längst fällige Renovation der Häuser mit Alterswohnungen an der Schlossstrasse wartet man vergebens. Martin Merki sagt dazu, das Vorhaben stehe in der Planungsphase.

Merki verweist schliesslich auf den kürzlich vorgestellten B+A «Alterswohnen integriert», in dem der Stadtrat vorschlägt, Viva Luzern, Spitex und Vicino zu einer integrierten Organisation zusammenzuführen. Diese neue Organisation sei ein Kompetenzzentrum, sagt Merki. Im Bericht werde im Meilenstein 1 auf die Thematik Wohnen hingewiesen. Konkretes zu neuen Wohnungsangeboten ist da allerdings nicht zu finden. Es heisst lediglich, ein «bedarfsgerechtes Angebot … im Bereich des betreuten wie auch nicht betreuten Wohnens werde angestrebt.» Es ist alles etwas sehr vage, was da angetönt wird. Aber Martin Merki sagte ja an der Medienorientierung: «Wir wollen das alles genauer anschauen.»

In Zürich werden 2000 neue Alterswohnungen gefordert

Auch in Zürich ist der Ruf nach mehr Alterswohnungen aktuell. Direkt Betroffene und linke Politikerinnen haben die Initiative «Plus 2000» lanciert, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. «Die Initianten fordern bis zum Jahre 2035 insgesamt 2000 zusätzliche Alterswohnungen.» Und in einem Vorstoss wird der Stadtrat aufgefordert, regelmässig über die Umsetzung des Angebots an Alterswohnungen zu berichten. Was zusätzlich Druck erzeugt: In Zürich schreibt eine Gemeindeverordnung vor, dass die Gemeinde zusammen mit privaten und öffentlichen Partnern für ein «an der Nachfrage orientiertes Angebot» sorgen muss. – Wer ergreift in Luzern die Initiative, um dem Stadtrat Beine zu machen?

10. September 2021 – rene.regenass@luzern60plus.ch

Wohnraum, Spitex und Nachbarschaftshilfe: Ein Modell für das Alter