Es gab viele Besucher am Marktplatz, die froh waren um Informationen, wie hier am Stand von Vicino Luzern. Die Organisation leistet Nachbarschaftshilfe.

«Wer sich digital verweigert, soll das dürfen»

Aufhören – das sei für ihn keine Option, sagte Medienunternehmer Roger Schawinski im Podium-Talk am Marktplatz 60plus in der Kornschütte. Der Anlass ist die jährlich stattfindende Plattform des Forums Luzern60plus, an der diesmal 35 Organisationen in der Kornschütte über ihre Aktivitäten und Angebote auf der Ebene von Beratung und Unterstützung für die ältere Generation informierten.

Von René Regenass (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Das Motto des diesjährigen Marktplatzes, «Aufhören? – Unerhört!» interessierte. Man spürte es. Die Arbeitsgruppe Marktplatz des Forums Luzern60plus hatte Personen zu den Podien-Interviews eingeladen, die auch im Alter nicht an ein Aufhören denken: den Radio- und Fernsehmacher Roger Schawinski und die Historikerin Heidi Witzig, die wir hier im Porträt vorgestellt haben. Aufmerksam folgten die Marktplatzbesucher auch den Ausführungen von Urs Truttmann, a. i. Leiter der Abteilung Digital der Stadt Luzern, zum Thema der Benachteiligung der Generation ohne Smartphone und schliesslich auch den vergnüglichen Blogs von Beat Vogt, Journalist und Blogger in Luzern (hier ein kleines Müsterchen).

Ohne Handy nicht mehr dabei?
Nach der Begrüssung durch Stadtrat und Sozialdirektor Martin Merki widmete sich das Podium dem Thema des Anlasses: «Nicht mehr dazugehören». Wer heute den Umgang mit Handy und Kreditkarten nicht gewohnt ist, fühlt sich bald einmal ausgeschlossen – nicht mehr dabei einfach. Marianne Wyrsch, Standortleiterin von Vicino, konfrontierte den Fachmann Urs Truttmann mit diesen Fakten, beispielsweise mit der Ankündigung, dass man diesen Sommer am Luzerner Stadtfest nicht mehr bar, sondern nur noch mit Karten zahlen könne. «Da werden viele ältere Menschen von der Teilhabe ausgeschlossen.» Urs Truttmann signalisierte Verständnis für das Anliegen. «Wir müssen einen Weg suchen, der die Bezahlung mit Bargeld möglich macht.» Generell will er sich in der Stadt dafür einsetzen, dass es im ganzen digitalen Umfeld immer physisch präsente Anlaufstellen geben werde. Als in vielen Situation hilfreich erachtet Truttmann die Vernetzung und den Austausch der jüngeren mit der älteren Generation. Zudem: Die Stadtbibliothek biete kostenlose Kurse für die digitale Praxis im Alltag an. Zudem: Truttmann glaubt, wer bei der Kommunikation nur noch digital unterwegs sei und kaum mehr Gespräche führe, schade der Psyche.

Marianne Wyrsch wies darauf hin, dass es auch Personen gebe, die sich der digitalen Welt verweigerten: «Wer das will, soll es können und dürfen.» Diese Haltung werde zunehmen, sagte Urs Truttmann. Viele wollten sich nicht in diese Abhängigkeit begeben.

Roger Schawinski: «Man will die Alten heute weghaben»
Roger Schawinski ist auch mit 77 nicht zu bremsen. Er war Interviewgast von Toni Zwyssig, früher Fernseh-Ausbildungsleiter, heute Mitglied der Redaktionsgruppe Luzern60plus. Und Zwyssig liess ihn reden, was dem Auftritt gut bekam. So kamen ein paar ganz wesentliche Fakten und Meinungen von Schawinski zum interessierten Publikum. Mit Luzern verbinde ihn eine frühe Liebe, sagte Schawinski. Er habe am Marathonlauf teilgenommen und sei sicher etwa zehn Mal auf den Pilatus gestiegen. Aufhören, das sei für ihn keine Option. Überhaupt: Da klinge für ihn so eine Art von Altersrassismus mit. «Man will die Alten heute weghaben. Das ist schändlich. Das Alter spielt doch hier keine Rolle. Es lohnt sich wach zu bleiben. Genau so, wie wenn ich Publikum vor mir weiss.» Wenn er sich auf eine Sendung vorbereite, sei das Hirnjogging. Es sei auch ein Privileg, immer wieder bekannte und spannende Leute zu treffen. – Man kann lächeln über Schawinski, aber wenn er so ehrlich erzählt, wirkt er halt doch überzeugend. Auch mit dem Stolz, den er nicht verbirgt. «Im Radio 1 (auch sein Werk, Anm. der Redaktion) senden wir live lange Wortbeiträge und haben Erfolg damit. Zum Thema Covid haben wir 146 Sendungen mit Fachleuten moderiert.» Dann kam er auf sein Wirken beim deutschen Fernsehsender Sat1 zu reden. «Ich las und hörte es zwischen den Zeilen und Kommentaren. Was will denn dieser Schweizer hier in Berlin, wo wir das weltbeste Fernsehen machen? Aber der Schweizer nahm eben die Leute ernst, leitete sie an und liess sie wirken. Und der neue Führungsstil brachte dann auch Erfolge.» Er bereue nichts, meinte Schawinski abschliessend. «Ich war auch bereit, aus Fehlern zu lernen.»

Angelika Ferroni leitet seit fünf Jahren das Forum Luzern60plus, der Organisation, die sich in Luzern für Anliegen der älteren Generation einsetzt. Gibt es besondere Erkenntnisse aus dieser Führungsaufgabe? «Die Erfahrungen haben mich gelernt, mich und die Organisation abzugrenzen. Und es ist oft nicht einfach abzuschätzen, ob und wie wir ein Anliegen umsetzen sollen. Was ist möglich, und was nicht?» Am diesjährigen Marktplatz 60plus jedenfalls sind wichtige Anliegen gut vorgetragen worden.

15. Mai 2022 – rene.regenass@luzern60plus.ch

Wann fängt eigentlich das Alter an? (Audio-Blog von Beat Vogt)

PS: Der Marktplatz wurde in Freiwilligenarbeit organisiert vom Forum Luzern60plus in Zusammenarbeit mit der städtischen Fachstelle für Altersfragen. Mit dabei waren Regula Bachmann-Melliger, Markus Heggli, Ueli Hunkeler, Annemarie  Meyer-Dotta, Andrea Moor, Markus Roesch, Toni Zwyssig und Joseph Schmidiger (Bilder).