Sonia Mudry engagiert sich seit fünf Jahren freiwillig als Lesementorin. Sie kehrt nach jedem Lesetreffen beglückt nach Hause zurück.

«Es erfüllt mich und gibt auch andern etwas»

Lesementorinnen und Lesementoren fördern die Freude am Lesen und damit die Lesekompetenz von Kindern. Lesementorin Sonia Mudry unterstützt den Viertklässler Sufijan.

Von Monika Fischer (Text und Bild)

In Genf aufgewachsen, zog die Unterwalliserin Sonia Mudry (*1947) vor über fünfzig Jahren mit ihrem Sohn nach Luzern. Als alleinerziehende Mutter war sie zeitlebens voll berufstätig und bildete sich vor allem im Bereich Informatik ständig weiter.

«Nach der Pensionierung wollte ich nicht einfach vor mich hinvegetieren. Ich wollte weiterhin einen strukturierten Tagesablauf und suchte nach einer Aufgabe, die mich erfüllt und auch der Allgemeinheit dient.» Diese fand sie zuerst beim Projekt «Seniorinnen und Senioren im Klassenzimmer» von Pro Senectute Kanton Luzern. Dort leistet sie mit ihrer französischen Muttersprache wertvolle Unterstützung für die Schülerinnen und Schüler im Französischunterricht. Als sie in einem Inserat der Stadt Luzern von der Suche nach Lesementorinnen und -mentoren las, meldete sie sich sofort und sagte spontan zu.

Vertrauensverhältnis als Basis
Zu Beginn des Schuljahres werden die neuen Lesementorinnen und -mentoren in einem obligatorischen Ausbildungstag in ihre Aufgabe eingeführt. Die Lesetandems treffen sich jeweils an einem öffentlichen Ort. Mudry lernt mit ihrem Schüler Sufijan vom Maihof-Schulhaus im Restaurant des Viva Rosenberg, wo beide auch etwas konsumieren können – jeweils mittwochs während 45 Minuten.

«Für mich ist es am wichtigsten, mit dem Schüler zuerst ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.» Beim ersten Treffen lernt sie das Kind mit seinem Hintergrund, seinen Interessen und Hobbys kennen. Danach sucht sie einen passenden Lesetext. Mudry erzählt von einem früheren Schüler, der den Fussball liebte und Fan von Cristiano Ronaldo war. Für ihn brachte sie jeweils aktuelle Zeitungsartikel über den Fussball mit.

Mudry lässt das Kind lesen und stellt Fragen, um das Leseverständnis zu prüfen. «Wenn ein Kind etwas nicht versteht, zum Beispiel nicht weiss, was eine Anaconda ist, googeln wir gemeinsam und lernen die Schlange kennen. Das Googeln gefällt den Kindern besonders gut. Zu wissen, wo man etwas finden kann, gehört schliesslich auch zur Bildung», sagt die Seniorin und lacht.

Spielerisch lernen
Beim nächsten Treffen erkundigt sie sich vor dem Lesen, was das Kind von der letzten Stunde noch weiss. «Mit einem Primarschulkind können wir nicht die ganze Zeit lesen. Es wäre eine Überforderung. Wir sprechen auch viel zusammen. Die Kinder erzählen von der Schule, der Familie, der Freizeit. Da sie meistens aus einer anderen Kultur kommen, ist das für mich sehr interessant und ich kann viel lernen.» Die Kinder lieben es auch, gemeinsam zu spielen. «Spielerisch üben wir zusammen den Wortschatz oder probieren eines der von der Stadt zur Verfügung gestellten Sprachspiele aus. Ein Mädchen wollte unbedingt jassen lernen. So habe ich es ihr eben beigebracht», erzählt die Lesementorin schmunzelnd.

Geben und Nehmen
Bei den jährlichen Austauschtreffen lernen sich die Freiwilligen kennen. Sie berichten von ihren Erfahrungen und geben sich gegenseitig Tipps. Mudry pflegt einen guten Kontakt mit einer anderen Lesementorin. Die beiden Frauen organisieren sich und sprechen sich ab.

Es kommt vor, dass sich Mudry im ersten Moment aufraffen muss, wenn schon wieder Mittwoch ist. Trotzdem empfindet sie das wöchentliche Treffen nicht als Einengung: «Es braucht für die Einsätze wohl auch etwas Fantasie, ich muss mich vorbereiten und muss etwas investieren.» Doch ist es für sie ein Aufwand, der sich mehr als lohnt. «Ich kehre jedes Mal erfüllt nach Hause zurück und klopfe mir als Anerkennung selbst zufrieden auf die Schulter. Es ist so unglaublich schön zu erfahren, wie die Kinder Vertrauen gefasst haben, sich öffnen und Fortschritte machen. Dieser Aha-Effekt tut mir enorm gut.»

Wird die dreifache Grossmutter und dreifache Urgrossmutter, die den Familienzusammenhalt über alles schätzt, im nächsten Schuljahr wieder als Lesementorin tätig sein? «Auf jeden Fall werde ich weitermachen», sagt sie bestimmt, «denn je älter ein Mensch ist, umso wichtiger ist es, wenn er aus seinen Erfahrungen schöpfen und den anderen noch etwas geben kann.»


Neue Lesementorinnen und -mentoren gesucht

Die Abteilung Alter und Gesundheit der Stadt Luzern bietet das generationenübergreifende Freiwilligenprojekt «Lesementoren» für Kinder seit zehn Jahren an. Aktuell gibt es 42 Lesetandems. Laufend werden neue Lesementorinnen und Lesementoren gesucht. Lieben Sie Bücher und das Lesen? Haben Sie Freude am Kontakt mit Kindern? Haben Sie Zeit, sich einmal in der Woche zusammen mit einem Kind in einem Lesetandem mit der deutschen Sprache zu beschäftigen? Zu lesen, zu spielen, zu plaudern?

Dann melden Sie sich bitte bei:
Stadt Luzern, Abteilung Alter und Gesundheit
Mirjam Müller-Bodmer, 041 208 81 38, mirjam.mueller@stadtluzern.ch
Simone App, 041 208 81 40, simone.app@stadtluzern.ch


21. April 2023 – monika.fischer@luzern60plus.ch