Gibt es den Einfluss von weit weg auf uns Menschen? Daran scheiden sich die Geister. Bild: Brigitte

Astrologie – ein reizvoller Zauber

Zum Jahreswechsel stehen die Sterne wieder besonders hoch im Kurs. Doch was bringen Astrologie und Horoskope? Eva Holz hat recherchiert. Dabei vertritt auch ein Luzerner Richter seine pointierte Meinung. (Teil 1 zum Thema «Astrologie und Horoskope»)

Von Eva Holz

«Heute haben Sie sich einiges vorgenommen. Doch Sie merken bald: Nicht alles lässt sich an diesem Tag auch erledigen. Sie planen um und erkennen dabei gut, was Priorität hat und was noch warten muss.» Absolut zutreffend, was das «Blick»-Horoskop mir als Stier an diesem 21. September 2022 erläuterte. Ich sass nach dem Zahnarztbesuch in einem Café und hätte eigentlich eine Crèmeschnitte geniessen wollen. Mein nachhaltig betäubter Kiefer liess sich aber nur knappe zwei Zentimeter öffnen. So nippte ich widerwillig an einer Lauchkartoffelsuppe.

Für zahlreiche Leute besteht kein Zweifel, dass die Gestirne auf uns Menschen Einfluss ausüben. Eine Umfrage in Deutschland ergab, dass jede dritte Frau und jeder sechste Mann dies glaubt. «Zahlenmässig können es die Anhänger der Astrologie also durchaus mit den grossen Religionsgemeinschaften aufnehmen», kommentierte es ein Journalist im «Weser Kurier». Am andern Ende hingegen steht die Kritikergarde, die nur ein müdes Lächeln für Astrologie und Horoskope übrighat. Und irgendwo dazwischen liegen all jene, die sich aus Spass ihr Tages-, Wochen- oder Jahreshoroskop zu Gemüte führen.

Seit jeher grosser Publikumserfolg
Unbestritten ist der Publikumserfolg: Die «Schweizer Illustrierte» mit dem Jahreshoroskop des «Astro-Urgesteins» Elizabeth Teissier gehört seit jeher zur bestverkauften Ausgabe. Auf den Plattformen von CH-Media soll das Wochenhoroskop «Astro-Week» von Monica Kissling mehr angeklickt werden als die News. Und auf den sozialen Plattformen geben heute schick gestylte Astro-Influencerinnen erfolgreich den Sterngucker-Tarif durch.

1930 wurde Prinzessin Margaret, Schwester der späteren Königin Elisabeth II., in einem Geburtshoroskop ein «ereignisreiches Leben» prophezeit. «Heute, 90 Jahre später, sind die Voraussagen noch nicht viel konkreter», meint Mareen Linnartz von der «Süddeutschen Zeitung».

Eine meiner Bekannten war jedoch überrascht von der differenzierten Treffsicherheit. «Mit Astrologie hatte ich zwar nie etwas am Hut. Als ich dann in einer Lebenskrise steckte, liess ich mir von seriöser Seite ein Geburtshoroskop erstellen und war positiv überrascht, wie präzis mein Lebenslauf mit seinen Aufs und Abs darin beschrieben und analysiert wurde. Ich konnte tatsächlich etwas daraus gewinnen.»

Ernsthaftes Interesse und Hilfeleistung
«Astrologie ermöglicht eine ganzheitliche Sicht auf das Leben, basierend auf der These, dass alles miteinander verbunden ist, dass Kosmos und Mensch eins sind», liest man auf der Website des Schweizer Astrologenbunds SAB. Die Deutung der Sterne sei eine hohe Kunst. Anhand der planetaren Entwicklungen liessen sich individuelle und kollektive Entwicklungen besser verstehen. 326 Mitglieder gehören dem vor 40 Jahren gegründeten Verbund an, der nach eigenen Worten Astrologie als Lebenshilfe sieht. «20 Prozent unserer Mitglieder kamen allein im Jahr 2021 dazu – ein Rekord», sagt SAB-Präsidentin Monica Kissling alias Madame Etoile (siehe Interview mit Monica Kissling in Teil 2).

Eine Leidenschaft für Astrologie hat auch Heiner Eiholzer. Der Jurist und Richter im Kanton Luzern liess sich vor vielen Jahren von seinem damaligen Philosophielehrer sowie einem bekannten Astrologen und Menschenkundler für die Thematik begeistern.

«Die Astrologie oder konkrete Horoskope haben für mich selbstverständlich keinen beruflichen Stellenwert. Astrologie betreibe ich bewusst als Nebenbeschäftigung. Zum Beispiel erstelle ich auf Anfrage Geburtshoroskope», sagt der 64-Jährige.
Ihn fasziniert «die Fülle an Bildern, das Erfassen einer im weitesten Sinn menschlichen Typologie». Die Jahrtausende alte Tradition offenbare ein weites Feld von Anlagen und Möglichkeiten. «Ob diese jedoch wahrgenommen werden, hängt vom jeweiligen Menschen ab, von seinen Lebensentwürfen, den Lebensumständen, vom durch Familie und Umgebung mitgeprägten Charakter.»

Und wo liegt seiner Meinung nach der Unterschied zwischen seriöser und unseriöser Astrologie? «Astrologische Beratungen und Horoskope sind dann unseriös, wenn sie nach der Formel funktionieren: ‹Weil im Horoskop die Planeten so stehen, bist du zwingend diese Person›, oder ‹Aus der Stellung der Planeten im Horoskop lässt sich ableiten, dass ein Ereignis X im Augenblick Y eintreffen wird›. Das ist purer Unsinn.»

Kritische Haltung der Astrophysiker
Doch auch an der so genannt serösen Astrologie scheiden sich die Geister. Jan Stremmel schreibt dazu in der «Süddeutschen Zeitung»: «Für den aufgeklärten Geist ist die Sterndeutung nicht mehr als ein Hokuspokus, der nicht funktionieren kann. Himmelskörper sind, nach allem, was die Physik weiss, Ansammlungen von Gas, Staub oder Gestein. Sie haben Einfluss auf die Erde, aber der beschränkt sich auf Gravitationskraft und Elektromagnetismus und zeigt sich in Form von Anziehung, Abstossung, Licht und Wärme. Eine Wirkung auf die Schicksale, Charaktereigenschaften oder gar die technologischen Errungenschaften der hochentwickelten Affenart, die dort lebt, konnte noch kein Experiment nachweisen.» (Siehe dazu das Interview mit dem Schweizer Astrophysiker Timm Riesen in Teil 3.)

In einem Bericht des «Weser Kuriers» kommt jedoch noch eine andere Sichtweise zum Tragen. «Die harte Wissenschaft ist logisch, aber sie ist nicht psychologisch», erklärt Werner Gross, Leiter des Arbeitskreises «Religionspsychologie, Spiritualität und Psychomarkt» im Berufsverband Deutscher Psychologen. «Wir haben alle eine Ratio, einen Kopf. Aber wir haben eben auch ein Gefühl und ein Herz und einen Bauch.»

Die Menschen versuchten, über Systeme wie die Astrologie das Unstrukturierte zu strukturieren. Gross spricht dabei von subjektiven Wahrheiten. «Je mehr ich emotional am Trudeln bin, je mehr ich in ungewissen Situationen stehe, desto mehr habe ich den Wunsch, die Zukunft zu kennen.» Einige würden pendeln, andere liessen sich vom Wahrsager Karten legen, wieder andere tendierten zur Astrologie. «Das sind alles ähnliche Systeme. Der gemeinsame Nenner ist das magische Weltbild.»

Teil 2: Madame Etoile im Gespräch

Teil 3: Die Sicht des Astrophysikers auf die Astrologie

26. Dezember 2022 – eva.holz@luzern60plus.ch

Dieser Bericht ist auch im Magazin «active & live» erschienen.