„Begeistern, bewegen, mitreden“

Von Marietherese Schwegler (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

In schönstem Bündner Dialekt begrüsst uns die knapp 65-jährige Angelica Ferroni zum Gespräch über ihr Amt als neue Präsidentin des Forums Luzern 60plus, das sie am 1. September angetreten hat. Was gleich zur Frage führt, wie lange sie schon in Luzern lebt. „1982, kurz nach der Geburt unseres ersten Kindes, sind wir als junge Familie aus dem Tessin nach Luzern gezogen, wo ich seither daheim bin“, sagt Angelica Ferroni. Eine Tochter, ein Sohn und eine acht Wochen alte Enkelin – das ist die Familie von Angelica; der Ex-Mann, mit dem sie sich gut versteht, wohnt übrigens im selben Quartier wie sie. Als frischgebackene Grossmutter ist sie glücklich, sich regelmässig um das Enkelkind kümmern zu dürfen.

Angelica selbst ist mit vier älteren Brüdern und einer jüngeren Schwester in Bonaduz aufgewachsen. In Chur hat sie im Hotel, das ihre Eltern geführt haben, schon als Teenager inoffiziell aber ganz selbstverständlich erste Führungsaufgaben wahrgenommen, um sich nach der Handelsschule zur Physiotherapeutin ausbilden zu lassen.

Late Bloomer
Dann folgte für die junge Frau eine Familienphase. Daneben arbeitete sie teilzeitlich als selbständige Physiotherapeutin. Zwischen 1996 und 2012 schliesslich startete sie durch mit Studiengängen an der Uni Freiburg und Luzern, wo sie 2008 mit dem Master of Business Administration (MBA) abschloss.

„Ja, ich bin eine Late Bloomer“ – was so viel heisst wie Spätzünderin –, sagt Angelica lächelnd von sich. Ihre berufliche Karriere im Bereich Bildung / Gesundheit war dann aber umso steiler. Nachdem sie neun Jahre lang die Schule für Physiotherapie in Luzern geleitet hatte, wurde sie gleich nach dem MBA 2009 berufen als Rektorin des Berufsbildungszentrums Gesundheit und Soziales des Kantons Luzern. Bis zur Pensionierung im August hat sie dort nicht nur organisatorisch viel bewegt und neu strukturiert. „In meiner Amtszeit hat sich die Schülerzahl mehr als verdoppelt, und ich führte rund 90 Lehrpersonen“, sagt die frisch Pensionierte nicht ohne Stolz.

„Pensionierung heisst für mich nicht Ruhestand“
Für Führungspositionen scheint sie also prädestiniert zu sein. Doch warum hat sie sich keine Pause gegönnt, bevor sie sich gleich nach der Pensionierung als Präsidentin von Luzern 60plus berufen liess? „Ganz einfach, das Forum Luzern 60plus interessiert mich. Ausserdem gehört es zu mir, stets Neues auszuprobieren, neugierig zu bleiben und etwas zu bewegen.“ So erklärt sie ihre persönliche Motivation. Sie finde zudem, dass sie auch in dieser neuen Lebensphase Pflichten gegenüber der Gesellschaft habe und weiterhin initiativ bleiben wolle. Und fügt hinzu, dass sie halt wahnsinnig gerne arbeite. Angelica ist auch Mitinitiantin und Präsidentin von Zeitgut, einer Genossenschaft, die Nachbarschaftshilfe fördert und diese mit Zeitgutschriften honoriert.

Das neue Amt als Forumspräsidentin
Zu ihrer Rolle als Präsidentin des Forums Luzern 60plus hat sich Angelica Ferroni Gedanken gemacht. „Ich führe jetzt eine Gruppe von Freiwilligen, keine mir Unterstellten. Das erfordert eine andere Art von Führung als bisher, wo es dazu gehörte, klare Ziele vorzugeben.“ Dennoch möchte sie im Forum Verbindlichkeit auch mit Freiwilligen schaffen. „Das heisst für mich: Die Mitglieder anspornen und für die Sache begeistern. Ich werde hier die Kunst der Moderation neu lernen müssen.“ Dazu kann sie aus einem Fundus an Erfahrung schöpfen. Mit Beschaulichkeit und Ruhe, was zur neuen Lebensphase gehöre, möchte die Präsidentin das Amt angehen. „Wenn ich eine Aufgabe sehe, dann packe ich an. Und ich kann sagen, dass ein strukturiertes Vorgehen zu meinen Stärken gehört.“

Die Politik der Generation 60plus, deren Interessen das Forum vertritt, versteht die neue Präsidentin aber weniger als Alterspolitik denn als Generationenpolitik; ein Ziel sei es, Generationen zu vernetzen. „Das Alter darf man nicht reduzieren auf Mängel und Gebrechlichkeit. Denn unsere Generation hat enorm viele Ressourcen und kreatives Potential, sofern wir uns von den alten Bildern bewusst verabschieden“, sagt sie. Und erwähnt auch den grossen Beitrag, den Ältere für die Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen leisten.

Zivilgesellschaft und Politik gemeinsam
Themen, die sie mit dem Forum bearbeiten möchte, seien zum Beispiel Selbstbestimmtes Wohnen im Quartier, Mobilität und Soziale Sicherheit, wozu die finanzielle Existenzsicherung ebenso zähle wie die Verbundenheit im Quartier und ein Gefühl von Sicherheit im öffentlichen Raum. Ihr Augenmerk wird sie auch auf die Zusammensetzung des Forums richten, das möglichst viele Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Bildungsniveaus abbilden soll. Und wer nicht vertreten sei, deren Anliegen solle das Forum mitbedenken.

Doch zunächst will die Präsidentin den Gestaltungsspielraum ausloten, indem sie zuerst mal genau nachfragt: Wie hat der Ausschuss bisher gearbeitet? Wie ist das Forum positioniert? Dann wird sie mit Sicherheit zusammen mit dem Ausschuss den Gestaltungsspielraum nutzen, daran lässt die engagierte Persönlichkeit kaum Zweifel.

Angelica Ferroni will bald nach Amtsantritt auch das Gespräch suchen mit dem Stadtrat und wichtigen Personen aus der Stadtverwaltung. Denn sie ist überzeugt: „Fragen, welche die Generation 60plus betreffen, sind von der Zivilgesellschaft und der Politik gemeinsam zu gestalten.“
1. September 2017

Zum Gespräch mit der zurückgetretenen Vorgängerin Christina von Passavant