Geschenke: Es muss nicht immer das ganz Grosse sein. Im Zentrum stehen Empathie und Fantasie.
Schenken schafft Vertrauen
Das Thema Geschenke beschäftigt uns nicht nur vor Weihnachten. Fachleute versuchen, dem Geben und Nehmen auf die Spur zu kommen.
Von Eva Holz (Text und Bild)
Warum bei jeder Gelegenheit etwas schenken? Muss das wirklich sein? Erst recht in Zeiten, da die meisten alles haben? Wie man es dreht, Professorin Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums in Berlin, weiss, dass Schenken nun mal zum Menschen gehört. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte sie: «Schenken ist eine uralte Tradition, von unterschiedlichen Zeiten und Kulturen geprägt, mal ein strenges religiöses Ritual, mal eine politische Geste, dann wieder ein ganz individueller Akt. Auf jeden Fall braucht es einen besonderen Rahmen, der das Geben und Nehmen aus dem alltäglichen menschlichen Umgang heraushebt.»
Im selben Beitrag kommt Professor Frank Adloff vom Institut für Soziologie der Universität Erlangen-Nürnberg zum Schluss, dass Schenken keine in sich abgeschlossene Handlung ist. Erstens müsse das Geschenk angenommen werden und zum Zweiten könne man beobachten, dass in der Regel nach einer Weile etwas zurückkommt. «Das heisst, durch Schenken schafft man Vertrauen, dass die Beziehung oder Freundschaft weitergeht.»
Kinder werden überhäuft
Und wie steht es mit der Beschenkung von Kindern? Eine Umfrage der SRF-Wissen-Community von 2022 zeigt: Die Berge unter dem Baum werden grösser. «Bei einem Kind, das 20 Dinge auspackt, nimmt die Freude über das einzelne Geschenk mit jedem neuen ab», erläuterte Entwicklungspsychologe Moritz Daum gegenüber SRF. Denn es brauche Zeit, um gedankenversunken in (Spiel-)Welten abtauchen zu können. «Rein kognitiv bedeuten viele Geschenke also Höchstleistung für das heranwachsende Gehirn. Ausserdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Kind irgendwann nicht mehr weiss, von wem welches Päckli war.» Auch das führe dazu, dass der mentale und emotionale Wert des Geschenks sinke, so Daum.
Überraschungsgeschenke sind mehr und mehr zur Ausnahme geworden. Fragte man sich früher «Was schenke ich?», erkundigt man sich heute «Was wünschst du dir?» oder «Was wünscht sich meine Enkelin?». Das mag ein Zeichen von Unkompliziertheit und Individualismus sein. Gleichzeitig würden die Wünsche aber immer uniformer, analysierte man im Deutschlandfunk: «Die Youngsters möchten neueste Elektronik, die Trend-Uhr oder das gerade heiss angesagte Spielzeug. Unter Erwachsenen geht es oft noch pragmatischer zu: Sie schenken sich Gutscheine oder gleich Geld, damit man sich seine Wünsche passgenau selbst erfüllen kann.»
In jedem Geschenk steckt eine Botschaft
Nach Wünschen zu fragen, sei das Beste, was Schenkende tun könnten, ist man hingegen auf der Plattform psychophilie.com überzeugt. Studien würden beweisen, dass Beschenkte sich mehr über etwas freuen, das sie sich gewünscht haben. Also besser fragen, statt sich stundenlang den Kopf zerbrechen. Ob eigene Idee oder Wunsch von aussen: Fachleute betonen, dass es sich immer gut anfühlt, jemandem etwas zu schenken. Das widerspiegle sich auch in unserem Gehirn. Neurowissenschaftler konnten nachweisen, dass beim Schenken der Belohnungsbotenstoff Dopamin ausgeschüttet wird und im Gehirn Areale aktiviert werden, die mit positiver sozialer Interaktion verbunden sind.
Schenken ist also immer auch Kommunikation. In einem Geschenk steckt eine Botschaft und es sagt etwas über die Beziehung zum Beschenkten aus. Optimal sind deshalb persönliche Geschenke, die zeigen, dass man die Beziehung zu den Beschenkten wertschätzt, und idealerweise sollten Geschenke auch noch einen Gebrauchswert haben.
«Aber ehrlich gesagt, so ein Geschenk ist schwer zu finden», sagt eine Autorin auf psychophilie.com klipp und klar. «Sowas sollte man als Glücksfall ansehen, aber man kann es nicht für jede Gelegenheit erwarten.»
Das A und O: Aufmerksamkeit
«Das perfekte Geschenk ist Aufmerksamkeit», gibt der Philosoph Wilhelm Schmid in «FAZ net» zu bedenken. Wenn man wirklich auf den anderen achte, vielleicht schon lange vor Weihnachten bei geäusserten Wünschen aufhorche, könne das Schenken nicht schiefgehen. «Man drückt aus, dass man den anderen versteht und Zeit für ihn investiert. Diese geschenkte Liebe kann sich auch in ideellen Formen zeigen: einem besonderen Spaziergang, einem Brief, in dem man die Zuneigung in Worte fasst, oder einem gemalten Bild mit einem Motiv, das beiden viel bedeutet.»
Oder einer Aromat-Streudose, weil der Lebenspartner von dieser seit Kindheit vertrauten Würze nicht lassen kann. Eine kleine Geste der Aufmerksamkeit – aber nur, wenn die Schenkende grosszügig darüber hinwegsieht, wenn der Beschenkte mit dem gelblichen Pulver hingebungsvoll die von ihr zubereiteten Köstlichkeiten «verfeinert».
Teil 2: «Ein Geschenk ist immer ein Ausdruck von Gefühlen»
Teil 3: «Ältere Menschen bevorzugen sinnvolle Produkte»
30. November 2023 – eva.holz@luzern60plus.ch
Diese dreiteilige Serie ist zuerst im Magazin «active&live» erschienen.