Auf dem Podium (v. l.): Die Referentin, Dr. Christina Röcke, Co-Direktorin und Geschäftsführerin des Healthy Longevity Center an der Universität Zürich; Klaus Kummermehr, Investor; Angela Rosengart, Kunsthändlerin und Mäzenin; Raphael Prinz, Moderator; Dr. med. und Geriaterin Doris Suter-Gut, Dr. Heinz Rüegger, Theologe und Ethiker.

Vom Wunsch nach gesundem Altern

Die meisten wollen alt werden – am liebsten bei bester Gesundheit. Ein Anlass des Forums Luzern60plus beleuchtete das Thema «Longevity».Von Hedy Bühlmann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Seit dem Start der Kampagne «Das hohe Alter» des Forums Luzern60plus locken die Veranstaltungen jeweils ein stattliches Publikum an. Auch das Thema «Longevity – wie lange wollen wir alt sein?» war von grossem Interesse. Über 170 Personen hörten am 10. April den Fachleuten im Marianischen Saal in Luzern zu.

Der Prozess des Älterwerdens verläuft individuell. Altersbilder sind nach wie vor stark von gesellschaftlichen Stereotypen wie abnehmender körperlicher und intellektueller Leistungsfähigkeit geprägt. Diese Stereotypen hinterfragte Impulsgeberin Dr. Christina Röcke in ihrem Referat «Longevity – Gesundes Altern und gesunde Langlebigkeit» und plädierte für ein positiv formuliertes Altersbild.


Stichwort Longevity

«Longevity» bedeutet speziell die Verlängerung der gesunden Lebensspanne eines Organismus, insbesondere des Menschen. Im populärwissenschaftlichen und kommerziellen Bereich wird der Begriff oft unscharf oder irreführend verwendet, besonders in der Anti-Aging- und Wellness-Industrie, wo «Longevity» häufig als Marketing-Begriff ohne klar definierte wissenschaftliche Basis dient.
(Quelle: KI, ChatGPT)


In ihrem Weltbericht über Altern und Gesundheit vermeldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2016 erstmals, dass die meisten Menschen damit rechnen können, 60 Jahre und älter zu werden. Das Bundesamt für Statistik (BfS) ortet den Anteil der 80-Plus-Jährigen für 2030 bei 7,8 Prozent in der Schweizer Bevölkerung. Dieser Anteil steigt bis 2060 auf 11,9 Prozent.

«Die Lebenserwartung steigt kontinuierlich, und damit auch die gesunden Jahre der Hochaltrigen», fasste Röcke zusammen. Zudem sei empirisch belegt, dass es einen Unterschied zwischen effektivem und gefühltem Alter gibt. So nehmen sich 75-Jährige heute subjektiv als 64-jährig wahr. Diese Wahrnehmung, sagt Röcke, steht im Zusammenhang mit der effektiv veränderten kognitiven Leistungsfähigkeit sowie der höheren mentalen Gesundheit der Bevölkerung.

Von der Wichtigkeit der «sozialen Fitness»
Auf die Frage «Wie lange Menschen leben möchten» variieren je nach Land und Studie die Antworten der Befragten. Dabei spielt die Gesundheit eine zentrale Rolle. Diese Annahme bestätigte auch eine Umfrage von Luzern60plus. Passantinnen und Passanten in der Luzerner Altstadt wurden gefragt, wie alt sie werden möchten. Die einen hatten sich kaum Vorstellungen über ihr Wunschalter gemacht, andere fanden, dass sie mit 95 Jahren das Leben gut loslassen könnten. Alle nannten die Gesundheit im Alter als zentralen Faktor für den Wunsch nach einem langen Leben.

Röcke findet es wichtig, den Fokus auf die Ressourcen von älteren Menschen zu legen. «Soziale Fitness» nannte sie als wichtigstes Element für ein gelungenes glückliches Leben und schreibt der positiven Einstellung zum eigenen Älterwerden eine bedeutsame Kraft zu. Menschen, die sich jünger fühlten, zeigten eine bessere Gedächtnisleistung und würden länger leben. Röckes Definition von «gesundem Altern» schliesst Krankheiten nicht aus: «Es geht darum, gut zu leben mit der Krankheit, unter Berücksichtigung der persönlichen Wünsche der Einzelnen.»

Die Natur richtet das Leben
Die Gäste auf dem Podium hatten eine sehr heterogene Haltung zu Langlebigkeit. Auf die Frage von Moderator Raphael Prinz, was sie tue, um gesund zu bleiben, antwortete die 92-jährige Kunsthändlerin Angela Rosengart bestimmt: «Gar nichts. Ich mache das, was ich gern mache, und lasse das Leben auf mich zukommen.» Es sei die Natur, die das Leben richte, sagte sie mit Überzeugung.

Die Geriaterin Doris Suter-Gut fand es schwierig, Lebensqualität zu messen, da diese sehr individuell wahrgenommen werde. Heinz Rüegger nannte kein konkretes Wunschalter, für den Ethiker steht gesundes Altern im Mittelpunkt. Kritisch fragte er nach der Sinnhaftigkeit eines wirtschaftsgetriebenen Longevity-Ansatzes, der Milliarden von Forschungsgeldern in Startups investiere – um der Unsterblichkeit Willen. Klaus Kummermehr, Investor eines Longevity-Fonds, kann dieser Forschung durchaus etwas abgewinnen. «Alle möchten doch möglichst lang gesund bleiben», daher investiere er in Technologien zur Diagnostik und präventiver Behandlung von Krankheiten. Er geht davon aus, dass die Masse in zehn bis zwölf Jahren Zugang zu dieser Technologie habe und davon profitieren könne. Die Ärztin Suter-Gut fragte sich, ob sie wirklich immer wissen wolle, dass sie eine schwere Krankheit habe. Erst recht paradox ist für Rüegger der anhaltende Langlebigkeits-Hype im Vergleich mit der seit Jahrzehnten weltweit sinkenden Fertilitätsrate.

Die Kunst des guten Alterns
Für ihn geht es nicht um Unsterblichkeitsfantasien und das ewige Leben, sondern um den richtigen Zeitpunkt, gesund zu sterben. Es brauche dringend eine neue Diskussion zum Altern und Sterben, forderte Rüegger, es gehe um die Kunst des guten Alterns. Das Publikum applaudierte begeistert.

Was es gesellschaftlich bedeute, wenn wir immer älter würden, wollte der Moderator schliesslich von seinen Gästen wissen. Suter-Gut verwies auf die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen. Und Rosengart sagte: «Es geht darum, das eigene Leben zu leben.» Und dazu gehört auch, das Leben zu Ende zu leben.

25. April 2025 – hedy.buehlmann@luzern60plus
 

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