In der Stadt Luzern mangelt es an bezahlbarem Wohnraum für ältere Personen.

Happige Aufschläge bei Neuvermietung eindämmen

In den Städten mangelt es an günstigem Wohnungen für ältere Personen. Die Volksinitiative für transparente Vormieten, über die wir am 27. September abstimmen, könnte diese Not etwas lindern. 

Von Beat Bühlmann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

„Über 60-Jährige stehen Schlange für günstige Zürcher Wohnungen“, titelte der Tages-Anzeiger vor zwei Jahren. Das Interesse an preiswerten Alterswohnungen übersteige das Angebot bei weitem, hiess es, rund 2000 Bewerbungen umfasse die Liste der Bewerbungen bei der städtischen Stiftung Alterswohnungen. Zürich ist nicht Luzern. Doch der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist in allen Schweizer Städten zu spüren. „Die Stadt Luzern ist für Mieterinnen und Mieter das vierteuerste Pflaster in der Schweiz“, sagt Mark Schmid, Präsident des Luzerner Mieterinnen- & Mieterverbandes. „In der Grossregion Luzern müssen bei einer Neuvermietung zwischen 20 und 30 Prozent mehr als bei einer Bestandesmiete bezahlt werden.“   

Mietpreise um 40 Prozent überhöht

Gemäss aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik (Juni 2020) sind die Mieten gemäss Mietpreisindex seit 2005 um fast 20 Prozent angestiegen, die Teuerung machte in dieser Zeit jedoch weniger als fünf Prozent aus. Laut einer Studie der Raiffeisenbank, auf die sich der Mieterverband bezieht, ist die durchschnittliche Miete in der Schweiz um 40 Prozent überhöht. „Massive Aufschläge gibt es vor allem bei Mieterwechsel, bei denen Mietzinse oft ohne wertvermehrende Investitionen stark erhöht werden und rasch Hunderte von Franken pro Monate betragen“, kritisiert Mark Schmid.

Mit der kantonalen Volksinitiative „Fair von Anfang an, dank transparenter Vormiete!“ sollen happige Aufschläge ohne Gegenleistungen bei Mieterwechseln zumindest eingedämmt werden. Gemäss dem Volksbegehren, das am 27. September zur Abstimmung kommt, müsste bei einem Mieterwechsel die Vormiete auf einem Formular obligatorisch vermeldet werden – wenn der Leerwohnungsbestand weniger als 1,5 Prozent ausmacht.

Zu hohe Wohnkosten

Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen betrifft vor allem die städtische Bevölkerung. Wohnen in der Stadt werde für Armutsbetroffene zum Luxus, erkannte die Städteinitiative Sozialpolitik, der 60 Städte angehören, an einer Fachtagung 2017. Der Anteil der inserierten Wohnungen, die für weniger als 1000 Franken zu mieten sind, ging zwischen 2005 und 2014 von 29 auf 14 Prozent zurück. Der Anteil der Wohnungen mit einer Miete unter 1400 Franken sank von 60 auf unter 40 Prozent. Vier von fünf armutsbetroffenen Haushalten (sie machen zehn Prozent der Schweizer Haushalte aus) leben in schlechten Wohnverhältnissen, mehr als die Hälfte der Haushalte mit prekären Einkommensverhältnisse (sie machen gut sechs Prozent aller Haushalte aus) leiden ebenfalls unter einer ungenügenden Wohnversorgung.

Betroffen sind vor allem Altersrentner und Rentnerinnen (39 Prozent), Alleinerziehende (37 Prozent) und Alleinstehende (31 Prozent). Sie haben zusehends Mühe, die steigenden Mietkosten zu zahlen. Denn in der Schweiz hat, so der Soziologe Peter Streckeisen, "der verfügbare Wohnraum für Menschen mit bescheidenen Einkommen deutlich abgenommen" - vor allem im städtischen Raum. Gemäss Age Report IV (von 2019) sind heute mehr als ein Fünftel der Frauen und Männer im AHV-Alter als armutsgefährdet einzustufen. «Das heisst, sie weisen vor Bezug von Ergänzungsleistungen zur AHV ein Haushaltseinkommen auf, das 60 Prozent tiefer liegt als das mittlere Haushaltseinkommen der Bevölkerung», konstatiert der Altersforscher François Höpflinger.

Mieterhöhung führt zu prekären Verhältnissen

Bei 60 Prozent der alleinstehenden älteren Menschen sind die Wohnausgaben höher als ein Drittel des verfügbaren Renteneinkommens, bei den einkommensschwächsten Alleinstehenden (20 Prozent) macht das Wohnen mehr als die Hälfte des Budgets aus. «Hohe Wohnkosten können mit zur Verarmung beitragen, Preisanstiege bei Mieten und Heizkosten rasch zu wirtschaftlich prekären Verhältnissen führen», heisst im Age Report.* Rund 80 Prozent der Single- und 40 Prozent der Paarhaushalte über 65 haben laut Markus Schmidiger, Leiter des Competence Center Immobilienwirtschaft an der Hochschule Luzern, ein Einkommen von unter 4000 Franken. Die Hälfte der älteren Singles müssen sogar mit weniger als 3000 Franken auskommen.

Die Versorgung älterer Personen mit sehr günstigem Wohnraum bleibe eine Herausforderung für den Wohnungsmarkt, konstatiert auch die Soziologin und Wohnexpertin Joelle Zimmerli in einer Studie der Hochschule Luzern – Wirtschaft (Demografie und Wohnungswirtschaft, 2017). Die Suche nach günstigen Wohnungen sei für ältere Menschen eine besondere Herausforderung, weil sie sich, insbesondere in den Städten, auf einem angespannten Wohnungsmarkt behaupten müssen: «Internetrecherche, vollständige Unterlagen, ein Empfehlungsschreiben und Schnelligkeit für eine Bewerbung zusammenzubringen, überforderte sie insbesondere in einer Stresssituation.» In der Stadt Luzern lebt fast die Hälfte der 65plus allein in einem Haushalt. Im Gegensatz zur herkömmlichen Meinung lebt auch ein Grossteil der Menschen im höheren Alter nicht in einem Heim, sondern in einer Wohnung. So führen 87 Prozent der 80- bis 84-Jährigen in Luzern einen eigenen Haushalt, selbst bei den 90- bis 94-Jährigen ist es fast die Hälfte.

Luzerner Stadtrat unterstützt Initiative

Oft leben ältere Personen allerdings in zu grossen oder in nicht altersgerechten Wohnungen. Doch ist ein Umzug in eine kleinere Wohnung wegen des «ausgetrockneten Wohnungsmarkts und der grossen Unterschiede zwischen Bestandes- und Angebotsmiete» oft wenig attraktiv, wie der Luzerner Stadtrat 2016 zum «Selbstbestimmten Wohnen im Alter» ausführt. Deshalb hatte er sich bereits im Bericht «Städtische Wohnraumpolitik II" (2013) für mehr Transparenz bei Mietzinsen ausgesprochen.

Denn viele Eigentümerinnen und Eigentümer nützten den Spielraum zur Mietzinserhöhung, wenn die Wohnung nach einer Kündigung neu ausgeschrieben werde. «Der Stadtrat ist der Ansicht, dass die Pflicht der Vermieterschaft, die Vormiete offenzulegen, eine mietzinsdämpfende Wirkung haben kann und dadurch preisgünstige Wohnungen gesichert werden können.» An dieser Auffassung hat sich nichts geändert. Der Luzerner Stadtrat unterstützt ausdrücklich die Volksinitiative des kantonalen Mieterinnen- & Mieterverbandes. «Die verbindliche Offenlegung der Vormiete schafft die Voraussetzungen, um einfacher gegen unrechtmässige Mietzinsaufschläge vorgehen zu können», heisst es in einer Medienmitteilung vom 7. Juli 2020. Denn die Situation auf dem Wohnungsmarkt sei nach wie vor angespannt.

Hauseigentümerverband spielt Land gegen Stadt aus

Der Luzerner Regierungsrat ist allerdings wenig einsichtig. Obschon er 2013 eine Formularpflicht für prüfenswert hielt, will er jetzt nichts mehr davon wissen – unter anderem mit dem Vorwand, dies habe einen «unverhältnismässigen Verwaltungsaufwand für die Vermieter» zur Folge. Zudem steige die Zahl der freien Wohnungen, die Leerwohnungsziffer liege bei 1,66 Prozent. Das gilt für den Kanton, für die Stadt Luzern liegt diese Ziffer bei 1,29 Prozent.

Etwas plump spielt der Luzerner Hauseigentümerverband das Land gegen die Stadt aus. «Von Luthern bis Luzern wird alles über einen Leisten geschlagen», behauptet HEV-Präsident und SVP-Kantonsrat Armin Hartmann. Dabei kann gemäss Initiativtext die Formularpflicht vom Regierungsrat kantonsweit oder in Teilen davon erlassen werden. Casafair, der Zentralschweizer Verband für umweltbewusste und faire Haus- und Wohneigentümer, befürwortet hingegen die Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands. Schliesslich seien sie als Hauseigentümer, so Präsident Christof Studhalter gegenüber der Luzerner Zeitung, «daran interessiert, langjährige und zufriedene Mieter zu haben». – 27.8.2020

Nachtrag: Gemäss "Luzerner Zeitung" vom 3. September 2020 liegt der Leerwohnungsbestand im Kanton Luzern bei 1,53 Prozent und nicht bei 1,66 Prozent, wie es in der Botschaft des Regierungsrates versehentlich heisst. Damit sind auch kantonsweit deutlich weniger Wohnungen leer als angenommen. 

beat.buehlmann@luzern60plus.ch

Age Report IV. Wohnen in den späten Lebensjahren, von François Höpflinger, Valérie Hugentobler, Dario Spini (Hrsg.), Seismo Verlag Zürich, 2019.