Mit dem Durchgangsbahnhof werden sich die Pendlerströme verdoppeln. Wie finden sich ältere oder behinderte Personen zurecht?

Damit den Älteren auf der Baustelle
nicht Hören und Sehen vergeht 

Der Durchgangsbahnhof Luzern wird erst 2040 eröffnet. Doch wie können sich ältere Personen während der jahrelangen Planungs- und Bauphase auf der Grossbaustelle zurechtfinden? Das Forum Luzern60plus fordert altersgerechte Signalisation, Information und Begleitung.

Von Beat Bühlmann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Nach der Testplanung mit drei interdisziplinären Planungsteams hat die Stadt Luzern in diesem Frühjahr die Bevölkerung (bis Ende April 2021) zu einer digitalen Mitwirkung eingeladen. Der Ausschuss des Forums Luzern60plus hat sich daran beteiligt und sich vor allem auf die langjährige Planungs- und Bauphase auf der gigantischen Baustelle konzentriert.  

Langjährige Provisorien
Der Durchgangsbahnhof Luzern wird seinen Betrieb voraussichtlich im Jahr 2040 aufnehmen. Das ist ein Zeithorizont, der für die ältere Generation nicht mehr so bedeutsam ist. Die meisten von uns werden dann 90-jährig oder älter sein. Umso wichtiger ist es für das Forum Luzern 60plus, bei der Planungs- und Bauphase mitzuwirken. Für die jetzige Vorbereitungsphase hat das Eidgenössische Parlament bereits einen Planungskredit von 86 Millionen Franken bewilligt, 2026 soll dann definitiv über das Milliardenprojekt entschieden werden. In unserer Stellungnahme werden wir uns vor allem mit Fragen zur Planungs- und Bauphase befassen, weil sie uns prioritär betreffen. Die städtebaulichen Aspekte, wie sie sich aus den drei Testplanungen ergeben, werden wir hingegen hier nur am Rande streifen.

Stimmt das Parlament dem Projekt zu, wird der Bahnhof Luzern ab 2030 zu einer gigantischen Baustelle. Davon sind auch die umliegenden Quartiere betroffen. Bereits 2023 werden jedoch erste Instandstellungsplätze erstellt. Das bedeutet, dass die Bus- und Bahnreisenden über längere Zeit mit Provisorien und Einschränkungen leben müssen. Die Zugänglichkeit für Perrons und Busse wird sich dauernd verändern, etwa durch unübersichtliche und längere Wege. Was bedeutet das für ältere Personen? Insbesondere auch für Personen mit Seh- und Hörbehinderungen? Oder mit Gehschwierigkeiten? Und gibt es genug Sitzgelegenheiten?

Begleitgruppe „Hindernisfreier Bahnhof“ gefordert
Der Bahnhof Luzern muss auch während Planungs- und Bauphase für den neuen Durchgangsbahnhof attraktiv und für alle zugänglich sein. Wesentlich ist die kontinuierliche Kommunikation, auch mit Ortsbesichtigungen. Denkbar wären etwa intergenerative Rundgänge mit Grosseltern und Enkelkindern. Beim grossen Bahnhofumbau in Bern wurde eine Begleitgruppe „Hindernisfreier Bahnhof Bern“ ins Leben gerufen, der verschiedene Behindertenorganisationen sowie eine Vertreterin der Gerontologie CH (Fachbereich Gerontopraxis) angehören. In einer solchen Begleitgruppe könnte sich allenfalls das Forum Luzern60plus, insbesondere Mitglieder der Arbeitsgruppe Netzwerk 80plus einbringen.

Mit dem künftigen Durchgangsbahnhof dürften sich die Pendlerzahlen verdoppeln. Die vielen Personenbewegungen sind vor allem für Menschen mit Behinderungen, für Kinder und für ältere Frauen und Männer eine grosse Herausforderung. Mit zunehmenden Alter nehmen die Mobilitätseinschränkungen ohnehin zu.

Beispiel Sehen: Verminderte Sehschärfe, schlechtere Kontrastwahrnehmung, beeinträchtigte Tiefenwahrnehmung oder Einengung des Gesichtsfelds verunsichern und erhöhen Stolper- und Sturzgefahr.

Beispiel Hören: Altersschwerhörigkeit, Probleme mit der Lokalisation von Geräuschquellen sowie beeinträchtige Sprachwahrnehmung erschweren Kommunikation und Orientierung. So werden etwa Lautsprecherdurchsagen und akustische Warnungen nicht wahrgenommen. Das ist besonders fatal, weil sich während der Planungs- und Bauphase die örtlichen Situationen dauernd verändern.

Beispiel körperliche Veränderungen: weniger Körperkraft (Gepäck!), raschere Ermüdung, verlangsamte Bewegungen, Gleichgewichtsstörungen und Schwindel (vor allem bei Stress) und nachlassende Reaktionsgeschwindigkeiten können das Reisevergnügen nachhaltig beeinträchtigen und das Unfallrisiko deutlich erhöhen.

Was ist also nötig? Die Angebote für persönliche Begleitung und Beratung auf dem Bahnhofareal verstärken und allenfalls mit Unterstützung von Freiwilligen ausgebauen. Gut zugängliche Anlaufstellen anbieten sowie genügend Sitzbände einrichten. Besonderen Stellenwert sind auch in der Planungs- und Bauphase auf Hindernisfreiheit, Beleuchtungs- und Akustikkonzept sowie auf eine eingängige Signaletik zu legen.

Fuss- und Velowege entflechten
Das Projekt Durchgangsbahnhof eröffnet grosse Chancen für eine städtebauliche Aufwertung dieses Stadtteils: ein attraktiver Bahnhofplatz Nord, zwei weitere Bahnhofplätze, welche die Verknüpfung und Beziehungen mit den angrenzenden Quartieren (Tribschen, Hirschmatt) verbessern und somit aufwerten; ein optimiertes Bussystem sowie bessere Fuss- und Veloverbindungen könnten die Wohn- und Lebensqualität deutlich stärken. Auch die konsequente Bevorzugung des Langsamverkehrs gegenüber dem motorisierten Individualverkehr (Auto) würde den Sozialraum Bahnhof als Begegnungs- und Aufenthaltsort attraktiv machen.

Vor allem müssen der Fuss- und der Veloverkehr auf dem Bahnhofareal und in den angrenzenden Quartieren unbedingt entflechtet werden. Die Versäumnisse der aktuellen Verkehrsplanung mit den gefährlichen Mischzonen sollten nicht wiederholt werden. So sind auf den aktuellen Situationsplänen der Testplanung vor allem Velowege eingezeichnet, die Anliegen der Fussgängerinnen und Fussgänger - auch mit Kinderwagen, Rollstuhl oder Gehhilfen! - wurden bei den bisherigen Planungen offenbar noch wenig berücksichtigt.

Wünschenswert wäre schliesslich, dass die SBB die Nutzung der frei werdenden Bahnareale nicht nur nach Kriterien der Profitmaximierung definiert, sondern zum Beispiel auch gemeinnütziges Wohnen in Bahnhofsnähe ermöglicht. Die Stadt Luzern könnte allenfalls bei der Umnutzung (Revision der Bau- und Zonenordnung) entsprechende Vorgaben machen. – 5.5. 2021

beat.buehlmann@luzern60plus.ch