Gnagivater werden, das wäre schön: Josef Schärli.

Josef Schärli, ein Luzerner Original aus Littau

Er war «absolut sensationellster LIttauer», wirkt als Vize-Gnagivater, dirigiert zwei Jodlerchöre und schreibt Sketche. Oder zusammengefasst: Josef Schärli ist ein Luzerner Original, gekrönt von der Güüggali-Zunft.

Von Albert Schwarzenbach (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Ursprünglich wollte er Bauer werden. Doch er konnte den Hof, den sein Vater gepachtet hatte, nicht übernehmen. Und so wurde er Chauffeur und war während dreissig Jahren für Heggli-Transporte und die Migros unterwegs. Mit 50 Jahren beschloss er, «zu 180 Grad etwas anderes zu tun». Und folgte einem Verwandten, der pensioniert wurde, als Kirchensigrist. Sein neuer Arbeitsplatz lag nur wenige Schritte von seiner Wohnung entfernt – seit 42 Jahre lebt er in der Nähe der katholischen Kirche im Zentrum von Littau.

Jodler ausgebildet
Josef Schärli ist weitherum bekannt – auch als Dirigent von zwei Jodlerchören, früher waren es sogar drei. Singen hatte es ihm immer schon angetan. So besuchte er 1973 einen Jodlerkurs, liess sich zum Dirigenten ausbilden und nahm bei einem Sänger des Stadttheaters Gesangstunden. Seither ist er an den grossen und den kleinen Jodlerfesten anzutreffen und hat viele heute bekannte Jodlerinnen und Jodler ausgebildet.

Bei kaum einem der Konzerte, die er veranstaltet, fehlen seine Sketche. Er schreibt sie selber und präsentiert sie auch gleich auf der Bühne. Als Putzfrau, Knecht, Pater vom Wesemlin oder Sanitätsgefreiter Gröbli produziert er Lacher um Lacher. Dass er ein witziger Unterhalter mit träfen Sprüchen ist, blieb auch dem damaligen Gnagivater Ruedi Bürgi nicht verborgen. Gerne hätte er ihn als Gast an das legendäre Gnagiessen eingeladen. Aber Josef Schärli hatte an dem Tag, an dem der gesellschaftliche Anlass stattfand, jeweils Probe. Und so dauerte es bis zu seinem 60. Geburtstag, bis er erstmals bei der Gnagigemeinde mit seiner Nummer «Willisauer Ringli Macher» aufwartete.

Ein Jahr gewartet
Am Sterbebett musste er Ruedi Bürgi versprechen, dass er das Gnagiessen nicht im Stich lasse. Franz Stalder, der damalige Präsident der City-Vereinigung, inzwischen ebenfalls verstorben, wies ihn an, am Tisch bei den drei verbliebenen Gnagi-Vorstandsmitgliedern Platz zu nehmen. Doch er zierte sich und wartete noch ein Jahr ab, bis er sich zum neuen Gnagivater Hans Pfister, Landschryber Guido Jacopino und Herold Hans Ochsenbein gesellte. Und seither hat er dort einen festen Platz als Vize-Gnagivater.

Das wahrschäfte Menü des Gnagiessens schmeckt ihm bestens: die Gerstensuppe, die Gnagi mit Sauerkraut und Kartoffeln und die Cremeschnitte zum Dessert. 400 bis 500 Personen aus allen Bevölkerungsschichten gönnen sich jeweils diesen «Frass». Drei Gnagi lässt sich Josef Schärli servieren, während er mit seinen Vorstandskollegen über Gott und die Welt disputiert. «Mein Mann ist eben ein Allesesser», witzelt seine Frau Alice.

 Geisslechlöpfer und Sänger
Dass der leutselige 74-jährige LIttauer für Stimmung sorgt, hat Tradition. Als er einst in Kriens wohnte, war er beim Fasnachtsumzug dabei und bewährte sich auch als Geisslechlöpfer in der Samichlauszeit, als Schnitzelbanksänger und Tafelmajor bei Hochzeiten. Jahrelang zog er zusammen mit seiner Frau verkleidet durch die Gassen und Maskenbälle, intrigierte nach Herzenslust, sprach andere Maskierte an und amüsierte sich, wenn er nicht erkannt wurde. Heute nimmt es Josef Schärli etwas ruhiger. Aber die Fasnachtsplakette kauft er jedes Jahr und auch den Umzug will er auf der Strasse erleben.

Zwei Kinder hat der langjährige Kirchensigrist: Thomas und Patricia. Der Sohn ist SVP-Kantonsrat. Zuerst besuchte Josef Schärli zusammen mit Thomas Parteiversammlungen der CVP und der Liberalen, wie sie damals hiessen, doch dort wollten die Parteioberen nichts von Thomas wissen. Und so entschied er sich eben für die SVP. Der Vater unterstützt den Sohn so gut wie möglich, gehört der Partei aber nicht an. Denn in seiner kirchlichen Funktion musste er neutral bleiben, stammten die Kirchgänger doch aus allen Parteien. Dass ihm das gut gelang, zeigt sich daran, dass er vor einigen Jahren einmal zum Präsidenten des Abendzirkels, der die honorablen Herren des Stadtteils Littau versammelt, gewählt wurde.

Durch England getourt
Josef Schärli könnte noch stundenlang erzählen. Von seinem Traktor, der in einer Garage darauf wartet, an das Zentralschweizer Traktorentreffen gefahren zu werden. Oder wie er seine Frau kennenlernte («Nach einen Oberkrainer-Abend brachte ich sie nach Hause und wusste danach: Sie werde ich heiraten»). Oder die Auslandreisen mit dem Camper. Dieses Jahr ging es durch England, Schottland und Irland.

Immer wieder schimmert bei ihm durch, wie sehr er die öffentliche Anerkennung schätzt: als Kandidat für den Rüüdigen Luzerner, als «sensationellster Littauer» und als Stadtoriginal. Noch bleibt ein Ziel: «Wenn dereinst der Posten des Gnagivaters frei wäre, würde ich ihn nicht ablehnen.»

7. Februar 2023 – albert.schwarzenbach@luzern60plus.ch