
Altersfreundliches Luzern: Mit dieser Plakette der Weltgesundheitsorganisation WHO darf sich die Stadt weiterhin schmücken, aber ...
Altersfreundlich mit Abstrichen
Luzern ist für die ältere Bevölkerung eine attraktive Stadt. Dies belegt eine Umfrage im Rahmen des Netzwerks «Age friendly Cities». Doch jeder zweite Fussgänger, jede zweite Fussgängerin fühlt sich durch Velos, E-Bikes und Trottinette gefährdet.Von Beat Bühlmann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)
Die Plakette der World Health Organisation (WHO) beim Eingang zum Stadthaus ist nicht zu übersehen. Sie zeichnet Luzern als Mitglied des «Globalen Netzwerks altersfreundlicher Städte und Gemeinden» aus. Seit 2021 ist die Stadt Luzern Mitglied des Netzwerkes «Age friendly Cities», und sie darf sich auch künftig mit dieser Etikette schmücken, wie die neue repräsentative Umfrage unter den über 65-jährigen Frauen und Männer belegt. «Ich fühle mich in Luzern als älterer Mensch willkommen», erklärten 96 Prozent der Befragten.
Grossmehrheitlich zeigten sich die Rentnerinnen und Renter – oft mit einem Anteil von über 90 Prozent – mit ihrer Lebenssituation zufrieden: Für die Teilnahme am öffentlichen Leben gebe es genügend Angebote, Kontakte zu anderen Menschen seien möglich, persönliche Anliegen könnten sie in ihrem Quartier oder bei der Stadt einbringen. Sie fühlen sich durch Pflege- und Gesundheitsdienste genügend unterstützt, die Angebote der Spitex werden von 94 Prozent als gut eingeschätzt. Diese Zahlen könnten allerdings etwas geschönt sein, weil die pflegebedürftigen älteren Menschen in der Umfrage eher untervertreten sind, wie in der Ergebnispräsentation eingeräumt wird.
Anlaufstelle Alter zu wenig bekannt
Trotz generell positivem Feedback lohnt sich ein vertiefter Blick auf die Umfragedaten. So kennt kaum ein Drittel der Pensionierten die städtische Anlaufstelle Alter am neuen, ebenerdigen Standort an der Winkelriedstrasse 14a. Das sind fast 20 Prozent weniger als vor vier Jahren. Diese Unkenntnis ist fatal, weil die Anlaufstelle – auch im schweizerischen Vergleich – ein ausserordentlich innovatives Pionierprojekt ist. So hilft sie unkompliziert und ohne grosse Bürokratie auch fragilen älteren Personen selbstbestimmt in der eigenen Wohnung zu leben. Seit dem 1. September leistet sie auch Betreuungsbeiträge zur Entlastung der Angehörigen.
Die städtische Informationspolitik kommt generell nicht so gut weg, 85 Prozent (minus 9 Prozent) erachten sie als ausreichend. Hingegen findet das Forum Luzern60plus zunehmend Beachtung. Über 50 Prozent (plus 6 Prozent) kennen inzwischen die Webseite www.luzern60plus.ch. Das Forum selber, die städtische Alterskommission, ist fast zwei Dritteln der über 65-Jährigen bekannt. Und noch ein Plus: Die grosse Mehrheit der Pensionierten, nämlich 83 Prozent, nutzt das Internet. Das sind 7 Prozent mehr als vor vier Jahren. Das könnte helfen, die Anlaufstelle Alter für einen grösseren Kreis zugänglich zu machen. Allerdings sind es nicht zuletzt Personen im hohen Alter, die keine digitalen Kanäle nutzen.
Angst vor einem Wohnungswechsel
Mit der Wohnsituation ist die ältere Bevölkerung grossmehrheitlich (98 Prozent) zufrieden. Die Wohnungsgrösse entspricht den eigenen Bedürfnissen, die Kontakte zur Nachbarschaft sind gut, die Wohnung können sie sich finanziell leisten. Allerdings gilt jede fünfte Wohnung als nicht altersgerecht. Und das könnte bei gesundheitlichen Einschränkungen problematisch werden. Denn auf dem angespannten Immobilienmarkt der steuergünstigen Stadt Luzern möchten die Rentnerinnen und Rentner lieber nicht an einen Wohnungswechsel denken müssen. Nur knapp 30 Prozent glauben, in ihrer Umgebung eine andere passende Wohnung zu finden – das sind 17 Prozent weniger als bei der letzten Umfrage von 2020.
Und wie sieht es ausserhalb der eigenen Wohnung aus? Die meisten fühlen sich in der Stadt Luzern sicher, allerdings meidet ein Viertel der Befragten gewisse Plätze und Strassen (plus 6 Prozent). Rund die Hälfte beklagt, dass es an öffentlichen WC-Anlagen und an Autoparkplätzen im Quartier mangelt. Auch die Sicherheit bei Schnee und Eis wird schlechter eingestuft. Das dürfte vor allem auf die intensiven Schneefälle vom November 2024 zurückzuführen sein, als die Stadt es nicht schaffte, die Bus-Haltestellen und Trottoirs innert nützlicher Frist vom Schnee zu räumen. Auch die VBL selber muss sich Kritik gefallen lassen. Die Pünktlichkeit nehme ab, die Fahrpreise seien zu hoch und das Fahrpersonal warte nicht immer ab, bis sich alle gesetzt hätten. Und für Betagte mit Rollatoren, so meine eigene Beobachtung, ist eine Fahrt im VBL-Bus nach wie vor ein gefährliches Unterfangen.
E-Bikes und Kickboards ängstigen
Die ältere Bevölkerung ist in der Stadt vorwiegend zu Fuss unterwegs (91 Prozent) – und sie stören sich vor allem am Veloverkehr. Bereits bei der Bevölkerungsumfrage von 2020 sorgten die Velofahrenden für den grössten Ärger unter den Fussgängerinnen und Fussgängern. Die Situation hat sich inzwischen nicht gebessert, im Gegenteil: Mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent, plus 4,5 Prozent) fühlt sich durch Velos, E-Bikes oder Kickboards gefährdet. Und eine zunehmende Zahl der Rentnerinnen und Rentner findet, die Velowege seien nicht sinnvoll von den Gehwegen getrennt (43 Prozent, plus 7 Prozent). «Die ältere Bevölkerung steht den gemischten Verkehrsflächen skeptisch gegenüber, und diese Haltung hat sich in den letzten vier Jahren eher verstärkt», heisst es in einer ersten Einschätzung zur Bevölkerungsumfrage.
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Velofahren für ältere Bevölkerung «katastrophal und lebensgefährlich»
Velofahren ist für die ältere Bevölkerung in der Stadt Luzern nicht attraktiv – und teilweise gefährlich. Allein in diesem Jahr gab es drei tödliche Unfälle mit älteren Personen, wie die «Luzerner Zeitung» kürzlich auflistete. Im Februar starb eine 69-jährige Frau auf der Maihofstrasse, im August ein 81-jähriger Mann auf der Tribschenstrasse und erst vor ein paar Tagen ein 76-jähriger Mann auf der Haldenstrasse. Kein Wunder, sind nur kaum ein Viertel der Rentnerinnen und Rentner in der Stadt Luzern mit dem Velo unterwegs. Das ist praktisch der gleiche Anteil wie bei der Umfrage vor vier Jahren. Luzern sei keine velofreundliche Stadt, hiess es damals, es gebe viele kritische Übergänge. Im Bereich von Bahnhof, Seebrücke und Schwanenplatz sei die Situation für den Veloverkehr «katastrophal und lebensgefährlich». Nötig sei ein ausgebautes Velowegnetz, mit breiteren, besser signalisierten Velostreifen und Velostrassen.
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Viele ältere Fussgängerinnen und Fussgänger ärgeren sich über den Veloverkehr, weil sich eine Minderheit der Velofahrenden nicht an die Verkehrsregeln hält. Sie missachten Fahrverbote, fahren auf Trottoirs oder sind zu schnell unterwegs, das gilt insbesondere auch für Kickboards. Das Forum Luzern60plus hat den Stadtrat bereits Ende 2022 aufgefordert, mehr für die Sicherheit der älteren Fussgängerinnen und Fussgänger zu tun. Insbesondere müssten die Velofahrenden für mehr Rücksicht sensibilisiert, die Signalisation verbessert und die Kontrollen verstärkt werden. Im städtischen Parlament, vor allem unter den velofreundlichen Linksgrünen, ist zuweilen wenig Sensibilität für die Anliegen der Fussgängerinnen und Fussgänger zu spüren. 2016 forderten die Fraktionen von SP und Grünen, das Fahrverbot auf dem Quai zwischen Luzernerhof und Verkehrshaus für Velos aufzuheben. Die Petition «Der Quai zu 100 Prozent den Zufussgehenden» mit 2400 Unterschriften trug dazu bei, dieses Ansinnen zu stoppen. 2020 forderten die beiden Fraktionen die Hertensteinstrasse in der Fussgängerzone Altstadt für den Veloverkehr freizugeben und die Einbahn-Regelung aufzuheben. Der Stadtrat nahm das Postulat teilweise entgegen und verlängerte das Befahren der Gegenrichtung um zwei Stunden, von 22.00 bis 10.00 Uhr.
Plakate allein nützen wenig
In diesem Sommer waren es erneut SP, GLP und Grüne, die den Stadtrat aufforderten, Alternativstandorte für den Wochenmarkt links der Reuss zu suchen – schliesslich führe die nationale Fahrradroute an dieser Stelle vorbei. Ein besonderes Zeichen von Ignoranz lieferte dabei Judit Aregger (Grüne), die nicht einsehen wollte, warum man an Markttagen das Velo stossen sollte: «Viele fahren mit dem Velo via Bahnhofstrasse zur Arbeit, auch ich. Da habe ich nicht noch zehn Minuten Zeit, das Velo zu stossen.» (LZ, 13. Juni 2025). Die Sensibilisierung der Stadt für mehr Rücksicht auf Fuss- und Velowegen zeigt offensichtlich wenig Wirkung. Nur mit unverbindlichen Plakatkampagnen wie «Entspannt unterwegs» wird sich Situation für die älteren wie für die jüngeren Fussgängerinnen und Fussgänger nicht verbessern. Immerhin bleibt der Markt, wo er ist. Im Sommer 2026 wird die neugestaltete Bahnhofstrasse eröffnet und die soll künftig einen konfliktfreien Betrieb von Markt und nationaler Veloroute gewährleisten. Die Ergebnisse der Bevölkerungsumfrage will die Stadt Luzern im Verlauf der nächsten Monate vertieft analysieren und den möglichen Handlungsbedarf gemeinsam mit den zuständigen Dienstabteilungen definieren.
18. Oktober 2025 – beat.buehlmann@luzern60plus.ch
Zum Autor
Beat Bühlmann (74) leitete von 2012 bis 2016 das städtische Projekt «Altern in Luzern». Er gehörte bis 2022 dem Ausschuss des Forums Luzern60plus an und engagierte sich während zehn Jahren in der Redaktionsgruppe von Luzern60plus. Den MAS Gerontologie schloss er 2007 an der Fachhochschule Bern ab. Vor seiner Tätigkeit als Gerontologe arbeitete Bühlmann während 25 Jahren als Inlandredaktor beim «Tages-Anzeiger» in Zürich, unter anderem mit dem Schwerpunkt Sozialpolitik.