Gabor Fekete: «Wir Ungarn können besser fluchen.» Bild: Monika Sigrist

«In der Schweiz ist man toleranter»

Gabor Fekete (74), Künstler, Ausstellungsmacher und ehemaliger Dozent für Illustration und Fotografie an der Hochschule Luzern, blickt kritisch-humorvoll auf die Unterschiede zwischen den Menschen in Ungarn und der Schweiz.

Aufgezeichnet von Eva Holz

«1971 bin ich mit meinen Eltern aus Ungarn in die Schweiz gekommen. Da war ich 17. Mein Vater hatte hier eine Professur als Agrarwissenschaftler erhalten. Mir empfahl er eine Ausbildung in der Hotellerie, um auf direktem Weg Deutsch und die Gepflogenheiten des Gastgewerbes zu erlernen. Als politischer Flüchtling bekam ich ohne Problem ein Stipendium für die Hotelfachschule Luzern.

Eigentlich gefiel mir dieses Gewerbe, nicht aber die starren Hierarchien. Kurz vor Abschluss brach ich den Lehrgang ab und kam dank Berufsberatung auf die hervorragende Idee, an die Kunstgewerbeschule zu gehen. Schon in Ungarn hatte man festgestellt, dass ich gut zeichne. Also wurde ich im Vorkurs aufgenommen. Das war eine fantastische Zeit voller Inspiration, einem Töffli, tollen Kollegen und hervorragenden Lehrern.

Wie die Leute mir damals als Ausländer begegneten? An den Ungarn, die ja aus einem kommunistischen Land geflüchtet waren, hatte niemand etwas auszusetzen, auch nicht bei Mövenpick, wo ich später kellnerte, um Geld verdienen und auch nicht im Tennisclub. Ich war ein Exot im besten Sinne: Gulasch, schönes Budapest. Dass man mich aber dauernd fragte, ob ich assimiliert sei, verstand ich nicht. Ungarn liegt ja nicht so weit weg von der Schweiz. Zugegeben: Mein Herz schlägt noch immer für Ungarn, vor allem wenn es um Sport geht, und klar ist, dass ich mit meinem in der Schweiz geborenen Sohn ungarisch spreche.

Der Mentalitätsunterschied zwischen den Ungarn und den Schweizern ist schon beachtlich. Ich schätzte als Jugendlicher in Ungarn den grossen Zusammenhalt der Menschen, die Förderung durch die Lehrkräfte, die Ambitionen im Sport. In der Schweiz empfinde ich dies weniger ausgeprägt. Auch das Temperament ist anders.

Wir Ungarn pflegen mehr Humor und Selbstironie und können besser diskutieren und fluchen als die Schweizer. Sich über jemanden lustig machen, den man erst gerade kennengelernt hat? Das geht nur in Ungarn. Umgekehrt ist man in der Schweiz toleranter. Man akzeptiert, was der andere sagt. Eine Diskussion endet kaum im Krach. Und ich habe gelernt, was Demokratie heisst. Trotz aller Nachteile ist dies noch immer das beste System.

Ein Ungar ist schnell begeistert, aber auch schnell enttäuscht. Anders die Schweizer: Sie warten ab, tasten sich vor, aber wenn es für sie stimmt, dann gilt das nachhaltig. Emotional sind die Schweizer eher auf der Reservebank. Meine Frau und mein Sohn bleiben tatsächlich sitzen, wenn bei einem grossen Sportanlass die Schweizer Hymne gesungen wird. Da muss ich jeweils schimpfen.

Die Schweizer sollten sich bewusster werden, welch tolles Leben sie hier haben. In der Schweiz ist doch fast alles möglich. Bitte mehr lachen!»

Teil 1: Ziemlich beste Nachbarn

Teil 3: «Unverkennbar: Der Outdoor-Survival-Look»

12. August 2025 – eva.holz@luzern60plus.ch