Der Zürcher Wirtschaftsjournalist und Reiseblogger Andreas Güntert: «Schweizer Reisende sind weniger herrisch als andere.» Bild: Diana Kottmann

«Unverkennbar: Der Outdoor-Survival-Look»

Andreas Güntert (60) alias «Der Internaut» weiss, wie man im Ausland über uns denkt. Seit über 30 Jahren betreibt er dazu Feldforschung. Leute 50plus soll man besonders gern mögen.

Interview Eva Holz

Werden wir im Ausland als Bünzli wahrgenommen?
Andreas Güntert: Ich glaube nicht. Auf Reisen tragen unsere Landsleute ihre helvetische Zwangsjacke etwas lockerer als sonst. Aber ganz ablegen können sie die meisten von uns dann doch nicht.

In einem Interview mit der «Sonntagszeitung» streichen Sie hervor, dass wir in der Fremde lieber «vorbeugen als heulen». Wie äusserst sich das konkret?
Wenn sich Eidgenossen irgendwo auf den Weg machen, sind sie so ausgerüstet, dass sie jederzeit Starkregen, Hagelstürmen und Windhosen trotzen können. Dies zwischen null und fünftausend Meter über Meer. Auch wenn sie statt auf der Zugspitze bloss in Zuffenhausen unterwegs sind – der Outdoor-Survival-Look ist unverkennbar.

Was hält man von uns älteren Reisenden? 
Grundsätzlich denke ich, kommen Schweizerinnen und Schweizer gut an, vor allem solche der Generation 50plus. Weil sie auf Reisen meist grosszügig sind. Etwa beim Trinkgeld.

Was sollten wir von unseren Nachbarn lernen? 
Eine Prise mehr Lockerheit, Spontaneität und Gelassenheit. Und mehr Pfeffer zulassen statt immer schon die nächste Drohkulisse vor Augen haben. Kurz: Etwas mehr Pepper als Prepper. Kennen Sie den Witz mit dem Italiener und dem Schweizer?

Noch nicht. 
Also gut: Ein Italiener und ein Schweizer gehen zusammen in ein Haus, beide in grosser Vorfreude. Sie fahren mit dem Lift in den dritten Stock und gehen einen langen Korridor entlang. Dann stösst der Italiener einen Freudenschrei aus und öffnet eine Tür, sie so beschriftet ist: «Eingang zum Paradies». Der Schweizer aber geht weiter und öffnet die nächste Tür.

Was steht dort drauf?
«Vortrag über das Paradies». Das ist jetzt vielleicht ein wenig klischiert. Aber die Schweizer sind halt grundsätzlich ein eher vorsichtiges Völkchen. Und mit dieser Haltung sind sie ja oft auch gut gefahren.

Gibt es auch so richtig Nettes über uns zu sagen?
Auf jeden Fall. Mir scheint, dass sich Schweizerinnen und Schweizer auf Reisen weniger herrisch geben als Leute aus anderen Ländern. Sie versuchen, sich in der jeweiligen Landessprache zu verständigen. Und sie klauen keine Schirme – weil sie ja selber schon erstklassig für alle Schlechtwetter-Sorten ausgerüstet sind.

Teil 1: Ziemlich beste Nachbarn

Teil 2: «In der Schweiz ist man toleranter»

12. August 2025 – eva.holz@luzern60plus.ch