Falsch geortet

Von Hans Beat Achermann

Hilfe, mein Handy weiss nicht mehr, wo wir zu Hause sind. Da sass ich neulich im Zug von Zürich nach Luzern, und irgendwo in der Gegend von Thalwil oder Horgen zeigte mir mein Smartphone den Heimweg samt Dauer der Reisezeit an. 1 Stunde und 36 Minuten, umsteigen in Luzern in die S 4, dann noch ein paar Minuten zu Fuss, und wir sind dort, wo wir noch nie waren und nicht hingehören, am Dorfrand von Stans, unweit des Länderparks, wo ich sowieso nicht hingehöre, an der Bitzistrasse. Aber es kommt noch besser: Mein Handy will mich direkt in eine Praxis für Stillberatung führen, wo auch emotionale Erste Hilfe angeboten wird. Ist das eine späte Rache dafür, dass ich vor vielen Jahren einmal – ganz am Anfang meiner Tätigkeit als Berufs- und Laufbahnberater - Still- und Stilberatung verwechselt habe? Oder ist es ein Angebot, mich in der Stille vor dem manchmal unsäglichen Lärm der Welt zu schützen? Ich weiss es nicht, aber es kamen doch erste Zweifel auf, ob nun ich oder mein Smartphone erste Anzeichen von Demenz zeigte. Die vermeintliche Lösung war, dass ich in meinem Handy den Ort als Wohnort eintippte, an dem ich meines bisherigen Wissens gemäss zu Hause war und ab und zu auch arbeitete, also dort, wo auch diese Glosse entsteht und wohin meine Post und meine Zeitungen bisher gekommen sind. Doch kaum war ich dort, wo ich meinte hinzugehören, zeigte mir mein zweijähriges Smartphone an, dass ich mit dem Auto (ich habe keines) noch eine Viertelstunde brauche, um wirklich zu Hause zu sein. Ich resignierte, machte ein Selfie, um zu schauen, ob ich wirklich noch der war, der einwohneramtsmässig im Untergütsch angemeldet war. Ich erblickte das mir bekannte Gesicht, das mich zutiefst verunsichert anschaute. Dann fuhr ich mit der S-Bahn nach Stans an die Bitzistrasse, um mir emotionale Erste Hilfe zu holen.

27. Januar 2015