Treffpunkt Stutzegg ist ein kleines Daheim 

Von René Regenass (Text) und Jutta Vogel (Foto)

Der Treffpunkt Stutzegg an der Baselstrasse beim Kreuzstutz ist für ein paar Handvoll Menschen ein Lichtblick in meistens ereignislosen, oft grauen Tagen. Viele sind arm, psychisch belastet und einsam. Sie können herkommen, von Mittwoch bis Samstag jeweils nachmittags zwischen halb vier und acht Uhr. Am Sonntag ist von 10.30 bis 15.00 Uhr geöffnet. Sie finden im Treffpunkt eine Gemeinschaft, sie sprechen miteinander, spielen oder sitzen im kleinen Meditationsraum. Und dann gibts ein einfaches Nachtessen für drei Franken, zubereitet von den Mitgliedern des Teams, serviert von Freiwilligen, die sich für den Stutzegg engagieren.

Um diese Freiwilligen geht es hier. Sie sind zum Teil seit der Gründungszeit des Hôtel Dieu – dazu später mehr - vor bald zwanzig Jahren dabei, sie sind älter, um die 80 vielleicht, und sie mögen nicht mehr so. Es braucht langsam Ersatz für einige von ihnen. Und diese Freiwillige zu rekrutieren ist nicht so einfach.

Jacqueline Keune und Dominika Notter erzählen. Beide sind Theologinnen, die eine freischaffend, die zweite in der Seelsorge in den Pfarreien St. Anton und St. Michael engagiert. Dominika Notter gehört zur Gruppe der Freiwilligen, Jacqueline Keune ist Co-Präsidentin des Vereins Hôtel Dieu, der den Treffpunkt Stutzegg führt.

Ein Ort für Begegnungen
„Der Stutzegg ist ein niederschwelliger Begegnungsort für unterschiedlichste Menschen, mit denen es der Alltag nicht immer gut meint. Viele der Gäste – wir sagen bewusst Gäste – haben psychische Belastungen, sind von materieller Armut geprägt und haben kaum ein soziales Netz." Der Stutzegg sei offen für alle, sagt Jacqueline Keune. Es kämen auch Menschen aus andern Kulturen, auch mal eine Familie mit ihren Kindern. Die Altersstruktur ist breit, zwischen 35 und 90. Rund 120 Gäste kommen im Wechsel vorbei. Um die zwanzig Personen seien in der Regel zugegen.

Träger ist der Verein Hôtel Dieu. Der Name bezieht sich auf das gleichnamige mittelalterliche Hospiz für kranke und benachteiligte Menschen in Beaune im Burgund, das im 14. Jahrhundert von einem vermögenden Paar erstellt worden ist. Der Bezug zu Luzern geht auf die Gründung des Ordens der  Luzerner Spitalschwestern zurück, die 1830 die Idee von Beaune übernommen haben. Drei Personen standen am Start des Vereins Hôtel Dieu: Sepp Riedener, Josef Moser, der Arbeiterpriester, der jahrelang den Quartierladen an der Baselstrasse geführt hat, und die Spitalschwester Hedy-Maria Weber. Sie ist heute Verantwortliche der Spitalschwestern im Elisabethenheim.  Am 20. Januar 1998 ging im Stutzegg an der Baselstrasse zum ersten Mal die Türe auf.

Auf Freiwillige angewiesen
Der Stutzegg finanziert sich ausschliesslich aus Spenden von Einzelpersonen und aus Kollekten. Weder Stadt noch Kirchen leisten feste Zuwendungen. Um die Öffnungszeiten garantieren zu können, ist das Angebot auf die Dienste von Freiwilligen angewiesen. Das Helferteam der Freiwilligen umfasst 20 bis 25 Frauen und Männer. Viele sind in der Nähe des Pensionsalters; sie kommen aus den unterschiedlichsten Berufen. Auch Jüngere sind dabei. Sie leisten einen bis zwei Einsätze pro Monat. Mit den Leuten, die sich für die Freiwilligenarbeit interessieren, werden Vorgespräche geführt, um Situation, Fähigkeiten und Möglichkeiten zu klären. Es gibt welche, die zuerst etwas schnuppern, um zu sehen, ob sie diese Arbeit machen wollen und können. Auch MitarbeiterInnengespräche finden statt, um über die gemachten Erfahrungen zu reden.

„Wir schaffen eine Willkomm-Kultur"
Jacqueline Keune: „Wir sollten den Bestand an Freiwilligen etwas aufstocken können. Es gibt Frauen und Männer, die seit rund 20 Jahren mitmachen. Da wird es in nächster Zeit Abgänge geben." Dominika Notter: „Wir müssen versuchen, Leute in persönlichen Gesprächen zum Mitmachen zu animieren. Es ist auch wichtig, ihnen die Scheu vor den Kontakten mit bedürftigen, sensiblen Menschen zu nehmen. Es kann schwierige Situationen geben; davor darf man nicht Angst haben." Jacqueline Keune präzisiert: „Wir sind hier zum Gespräch und zum Austausch und schaffen eine Willkomm-Kultur. Kontakte ausserhalb und eigentliche Hilfsangebote versuchen wir zu vermeiden, weil wir das nicht leisten können."

Auch ein Rückzug ist möglich
Speziell ist das Angebot am Sonntagmorgen. Dann gibt es um 10.30 Uhr einen reichhaltigen Brunch, der fünf Franken kostet. Jacqueline Keune betont, dass man Wert auf das gemeinsame Essen lege. „Wichtig ist einfach das Gespräch untereinander. Bei jedem Einsatz ist jemand vom Team dabei (es sind gesamthaft fünf Teilzeitangestellte) und eine oder zwei Personen von der Freiwilligengruppe. Wir bereiten alles vor, bevor die ersten Gäste kommen. Zeit haben für die Menschen – das ist zentral. Wir hören zu, wir reden mit." Einzelne der Gäste benützen eines der Spiele, andere jassen, wieder andere nehmen ein Musikinstrument mit. Es hat Lektüre da. Daneben gibt es einen Raum der Stille, wo man sich zurückziehen kann. Es hat Freiwillige unter den Krankenschwestern, die eine Hand- oder Fussmassage anbieten. An Freitagen erhält der Stutzegg oft Lebensmittel von den Grossverteilern, die abgelaufen sind. Die Aktion heisst „Luzerner Tafel". Hier können sich die Gäste einfach bedienen.

Die Gemeinschaft ist wichtig
Finden die Leute auch zueinander? Gibt es einen Austausch, Beziehungen, die auch ins Private hinein reichen? „Ja, sicher", bestätigt Dominika Notter. „Es gibt Gäste, die sich hier daheim fühlen, den Raum als ihre Stube wahrnehmen. Und wer neu kommt, wird aufgeklärt. Es gibt ein „Wir"." Jacqueline Keune ergänzt: „Wenn jemand länger nicht mehr auftaucht, wird nachgefragt. Wenn jemand krank ist, geht man sie nach Möglichkeit besuchen."

Und Dominika Notter fügt bei: „Vielen Gästen ist die Gemeinschaft im Stutzegg wichtig. Das spüren wir. Sie besuchen sich gegenseitig, machen Besuche im Spital. Sie reden darüber. Besondere Bedeutung haben Festtage, Weihnachten, Silvester, Ostern. Sie freuen sich auch, bei den Vorbereitungen für unser 20-Jahrjubiläum im Januar 2018 mitzudenken. Unser Team bemüht sich, im Raum an der Baselstrasse einen guten Rahmen zu schaffen. Wir verwenden wertvolle Materialien, hängen schöne Bilder auf, auch solche von Gästen, die sie im Malatelier machen. Wir kaufen fast ausschliesslich im Quartierladen ein, bemühen uns um Qualität auch beim Essen. Diese Haltung entspricht dem Leitbild des Hôtel Dieu. Sie gründet auf der Spiritualität der Schwestern von Beaune. Für die Armen kann nichts gut genug sein."

„Die Offenheit untereinander, die wir hier erleben, auch zwischen den Freiwilligen und den Gästen, ist aussergewöhnlich", sagt Jacqueline Keune. „Wir sind wie Schwester und Bruder. Es verträgt auch Kritik untereinander. Als einmal jemand beim Essen nur reklamierte, wurde er von einem andern Gast darauf aufmerksam gemacht, dass man am Tisch nur Gutes miteinander reden sollte. Solche Dinge machen mir Eindruck." - 6.6.2017
Wer sich für die Stutzegg interessiert, kann sich bei Jacqueline Keune melden: 041 210 74 78, keune@bluewin.ch

Bild unten: Jacqueline Keune (links) und Dominika Notter.