Alternativer Musikunterricht für ältere Menschen

Verschüttetes Talent nach der Pensionierung neu entdecken: proMusicante will mit einem stressfreien Unterricht der Generation 60plus den Zugang zum Musikspielen und Singen erleichtern.

Urs Krienbühl ist auf dem Weg in den Quartiertreffpunkt Obergütsch – zum Musikunterricht. Zu seinen Schülern gehört heute eine ehemalige Lehrerin, die wieder angefangen hat Piano zu spielen. Und zwei andere Klavierspieler, die er in einem sogenannten Impulskurs coacht und die dann selbstständig für sich alleine proben. Seine Musikschüler sind alle pensioniert oder stehen kurz davor. „Es lohnt sich, auch im Alter Neues zu entdecken“, sagt Krienbühl. Das Leben nach der Erwerbsarbeit könne 20 oder 30 Jahre dauern, um so wichtiger sei es, diese Phase bewusst zu gestalten – zum Beispiel mit Musizieren und Singen.

Der Musikcoach
Krienbühl versteht sich als Musikcoach und nicht als pingeliger Musiklehrer. Alter und Vorkenntnisse seien nebensächlich, im Mittelpunkt stehen Freude, Spontaneität und Ausgelassenheit. „Der Unterricht ist bei uns anders, als ihn die meisten früher in der Musikschule erlebt haben“, sagt Krienbühl. „Sie müssen nicht in erster Linie Noten lesen und wie die Weltmeister aufspielen, sondern Mut zum Neuanfang gewinnen und Lust haben, mit anderen gemeinsam zu musizieren.“ Musizieren statt nur üben, heisst die Devise. Nicht alles muss perfekt sein.

Was zeichnet diesen Unterricht, etwa den Klavier-Impuls-Kurs aus? In kompakter Art erhalten die Teilnehmenden Ideen, Material, Antworten, Tipps und Tricks für das Musizieren zu Hause, in einer Band oder bei öffentlichen Auftritten. Anders als im herkömmlichen Unterricht bestimmen die Teilnehmenden die Inhalte, den Rhythmus, das "Weitergehen". Sie übernehmen damit Verantwortung für das eigene Lernen. Nicht nur nach Noten, vor allem nach Akkordfolgen, Tonleitern und Gehör - das bringt Freiheit und führt Schritt für Schritt zur Kompetenz, um spontan musizieren und improvisieren zu können, wie Krienbühl festhält. Da im Turnus mehrere Teilnehmende individuell betreut werden, bleibt genügend Zeit, ohne Stress und Beobachtung Neues auszuprobieren und Fehler zu machen.

Leicht spielbare Instrumente fürs gemeinsame Musizieren
Vorkenntnisse müssen die Musikschüler 60plus keine mitbringen? „Freude an der Musik ist keine Frage der Begabung oder der Vorkenntnisse!“, sagt Krienbühl.  Ständiges Üben wird nicht vorausgesetzt, Kenntnisse der Musiknoten sind nicht zwingend. Wichtiger sei der soziale Aspekt, um möglichst sofort miteinander musizieren zu können - und dazu werden auch leicht spielbare Instrumente verwendet.

Urs Krienbühl war schon als Kind von der Musik begeistert. Er erinnert sich, wie er seinem Vater beim Spiel in der Dorfmusik hinter her rannte. Seit 1981arbeitet er als Primarlehrer in Arth-Goldau. Krienbühl spielt selber Klavier, Kontrabass und Gitarre – ob Ländler, Jazz oder Blues. Das letzte Schuljahr liess er sich beurlauben, um sich ganz seinem Projekt „proMusicante“ zu widmen, das er als musikalischer Leiter initiiert hat. Inzwischen besuchen rund 60 Personen den Musikunterricht 60plus – seit diesem Jahr auch in Luzern.

„Viele ältere Menschen spielten in ihrer Jugend ein Instrument oder hatten ein Leben lang den Wunsch zu musizieren“, sagt Krienbühl. Doch allzu oft habe das Musizieren im Leben nicht den gewünschten Platz gefunden – das Berufsleben, die Familie oder schlicht das Gefühl, es sowieso nicht mehr lernen zu können, waren wichtiger als das Proben mit dem Musikinstrument. Doch nach der Pensionierung hätten viele Frauen und Männer nun wieder Zeit, um sich der Musik zuzuwenden, glaubt Urs Krienbühl. Verschüttetes Talent könne neu entdeckt, lebenslange Träume könnten verwirklicht werden. „Die Erfüllung in der Musik kann zu tieferer Zufriedenheit führen.“
Beat Bühlmann - 11. Juli 2012

Weitere Informationen und Kursangebot:
www.promusicante.ch