"Greyhounds" bei der Probe im Theater Pavillon. 

Wie spielt man ein Leben?

Die Theatergruppe „Greyhounds“ spielt im VorAlpentheater „Vom Verschwinden“ des Posthalters und Chorleiters Willi Habermacher aus dem beruflichen und familiären Umfeld. Am Mittwoch, 20. März ist Premiere.

Von Erika Achermann (Text) und Reto Ambauen (Bild)

Auch im Alter, das weiss jeder Mann  und jede Frau, sollte man das Leben lieben. Nur so kann man ein umgänglicher Mensch bleiben. Doch hier liegt ein Zwiespalt: Liebt man das Leben, kann man nicht loslassen. Man muss aber loslassen, um erträglich verschwinden zu können. Im Voralpentheater proben dies 14 Frauen und Männer um die 60plus mit Gesangs- und Spielerfahrungen. Sie spielen die Erfahrung des Verschwindens – aus dem Berufsleben, den beruflichen und familiären Beziehungsnetzen, aus dem Leben. Im Mittelpunkt steht der langjährige Posthalter und Chorleiter Willi Habermacher aus Sursee, der selber im Stück nicht auftritt. Denn er lebt nur noch in den Erinnerungen seines früheren Umfelds weiter.

Schnelligkeit und Langsamkeit

Der Luzerner Journalist und Autor Erwin Koch hat einen melancholisch-nachdenklichen Text geschrieben: „Vom Verschwinden“, Christoph Fehlmann eine mundartliche Dialogfassung erstellt und Reto Ambauen führt Regie. Musik spielt in der Theaterfassung eine tragende Rolle, ein Gesangschor, aus dem sich die Figuren und Gespräche entwickeln. In „Verschwinde“ geht es auch um Langsamkeit und (zu) schnelles Spielen klassischer Werke. Der Theatermusiker Christov Rolla hat die Melodien zu den Liedtexten komponiert und sie mit den Spielern einstudiert, die teils in seinem Krienser Kirchenchor oder bei anderen Projekten mit ihm gesungen haben. Singen ist wichtig, denn ein Faden durch den Abend ist der Brief, den der Posthalter und leidenschaftliche Provinzmusiker Willi Habermacher an den Chefdirigenten des Luzerner Sinfonie-Orchesters, James Gaffigan, geschrieben hat, eine kleine Musikgeschichte über Tempo und Langsamkeit der Interpretation.

Alle Lebensalter unter einem Dach

Der Wunsch nicht nur Theater für Kinder und Erwachsene mit einer je eigenen Truppe zu machen, sondern alle Lebensalter unter einem einzigen Dach abzubilden, also auch mit einer Theatergruppe für Menschen im Seniorenalter zu arbeiten, ist so alt wie das VorAlpentheater: zehn Jahre. Doch es hat Zeit gebraucht, meint Reto Ambauen. „Mit Greyhounds werden wir jedoch die Krone aufsetzen.“  Am 20. März wird Premiere dieses ersten Projektes „Verschwinde“ gefeiert, zwei Fortsetzungen sind geplant.

Was interessiert den 52jährigen Reto Ambauen am Theaterspielen mit älteren Menschen, was sind seine Erfahrungen nach den Proben einmal pro Woche während mehreren Monaten? „Die Gruppe ist „sehr offen und spielfreudig. Jeder hat im Probenprozess seine Figur selber gefunden.“ Sie sind die Enkelin, die Tochter, die Frau von Willi Habermacher, die Freunde, der Pfarrhelfer, eine Pflegerin und viele mehr aus Habermachers Umfeld, auch Traumgestalten. Ambauen sagt, ihm bleibe die Aufgabe, „die Spielfreude anzuregen und den Rahmen zu schaffen, in dem die vielen Ideen der einzelnen Spieler und Spielerinnen aufgehen können.“

Reiches Spiel aus Lebenserfahrungen

Sitzt man Ende Januar in einer Probe, hat man den Eindruck, nichts müsse erfunden werden, alle könnten alles in sich selbst vorfinden. Jede und jeder improvisiert, sucht den Charakter der Figuren visuell darzustellen. Da mahnt die Geigenlehrerin „üben, üben, üben, der liebe Gott hört und sieht alles“, setzt sich ein Anderer als Indianer auf die grüne Bank oder die Enkelin Nina analysiert die geweinten Tränen des Grossvaters mit einem Mikroskop. Erinnerungsbrocken. Das ist kein Seniorentheater, sondern ein Spiel, gewonnen aus einem reichen Fundus an Ideen und Lebenserfahrungen von liebevoll bis absurd.

„Wie erzählt man ein Leben“, fragt Erwin Koch in seinem Exposé? Das Leben ein Puzzle aus Momenten? Aber wo fängt man an? Vielleicht da, wo das Schönste erst bevorsteht?
8. Februar 2019

Premiere ist am 20. März um 20 Uhr im Theaterpavillon Luzern, Spelteriniweg 6. Weitere Vorstellungen am 22., 23., 27. und 29. März jeweils um 20.00 Uhr.

Die Matinee-Vorstellungen vom 24.3. und 30.3., beginnen um 10.00 Uhr. Anschliessend an die Vorstellung vom Sonntag, 24.3. diskutiert Roland Neyerlin, Philosoph (Moderation) mit Heidi Pfäffli, Philosophin und Niklaus Troxler, Grafiker und Künstler. Am Samstag, 30.3. diskutiert Roland Neyerlin mit der Religionspädagogin Beata Pedrazzini und mit André Hobi, dem ehemaligen Personalchef der Stadt Luzern. - Karten können ab sofort über www.eventfrog.ch  reserviert werden.