Gutgemeinte Ratschläge aus politischer Sicht

Von René Regenass (Text) und Josef Schmidiger (Bild)

„Wir wollen sensibilisieren für die Alterspolitik“, sagte Christina von Passavant, die Präsidentin des Forums Luzern60plus, in ihrer Begrüssung zum öffentlichen Hearing mit den Parteivertretern aus dem Grossen Stadtrat. Dieses Ziel wurde, trotz unterschiedlicher Positionen der Parteien, erreicht. Einig sei man sich immerhin in der Sicht, dass alte Menschen möglichst lange in ihrer Wohnung leben möchten, formulierte Fabian Reinhard von der FDP. In der Sache blieben die politischen  Positionen so, wie wir sie kennen. Bei FDP und SVP möglichst wenig staatlich verordnetes Handeln und keine Sozialisierung der Kosten (Fabian Reinhard), bei SP und Grünen, zum Teil auch bei CVP und Grünliberalen soll die Stadt Strukturen und Anschubhilfe bereitstellen, zum Beispiel in der Quartierarbeit und beim Wohnen im Alter.

Die Vision von Christina von Passavant blieb Vision. Sie hoffe auf den Impuls für etwas Neues in der Alterspolitik in einer Stadt mit einem so hohen Anteil an alten Menschen, wie ihn Luzern aufweise, sagte sie einleitend. Immerhin: im Ansatz ist das positiv Neue für Luzern in Sicht. Das Projekt Vicino im Himmelrich-Neubau der abl, ein Wohnen mit Dienstleistungen, damit alte Menschen möglichst lange im gewohnten Umfeld und im Quartier bleiben können. „Wenn Alte zu Hause bleiben und nicht ins Heim müssen, lassen sich Kosten sparen, was allen entgegenkommt“, wie es Forumsmitglied Marietherese Schwegler in der Publikumsdiskussion formulierte.

Die Positionen der Parteien
Es gab zwei zentrale Themen am Hearing: Die Quartierarbeit und das Wohnen im Alter. Die Verbindung von Quartierbüro mit Altersprojekten ist für SVP und FDP ein rotes Tuch. Mag sein, dass die Funktion der Quartierbüros schlecht kommuniziert worden ist. Die CVP habe im Stadtparlament Doppelspuriges befürchtet, sagte Agnes Keller. „Aber jetzt haben wir einen guten Eindruck von der Quartierarbeit.“  Katharina Hubacher: „Die Grünen unterstützen die Quartierbüros.“ Die SVP sei da „sehr kritisch“, sagte Peter With. „Das Angebot in Luzern ist gut, und die Alten sind auch ohne Quartierbüros gut vernetzt.“ Genau diese Vernetzung könne durch Quartierarbeit verstärkt werden, sagte Theres Vinatzer von der SP. Für Fabian Reinhard (FDP) ist der Name schlecht gewählt. Die Jugendarbeit der Quartierbüros sei wichtig, vor allem für Jugendliche mit Migrationshintergrund. 

Gutgemeinte Ratschläge doch wenig Konkretes hörte man zum Wohnen im Alter. „Wir müssen Informationen bereitstellen, damit alte Leute eine Wohnung finden“, sagte Laura Kopp von der GLP. Und Agnes Keller riet den Alten, es doch einmal mit einer WG zu versuchen. „Es braucht zahlbare Wohnungen“, sagte Theres Vinatzer. „Es kommt eine neue Generation von Alten, die durchaus bereit sind, die Wohnung zu wechseln.“ Das Wohnen im Alter habe sich gewaltig verändert, sagte Peter With. „Alle beanspruchen mehr Raum.“ Der Wohnungsbau sei Aufgabe der Privaten, doch die Stadt müsse gemeinnützige Wohnungen bauen. Der Wohnungsbau sei nicht Bestandteil einer Sozialpolitik, meinte Fabian Reinhard. Die Wohnbaugenossenschaften müssten wirken.

„Pflege und Betreuung“ – das ist die dritte Säule der Luzerner Alterspolitik. Die Diskussion blieb hier aus Zeitgründen kurz. Theres Vinatzer forderte „bedarfsgerechte Angebote“. Hinter dem grossen finanziellen Aufwand für die Pflege stehe ein riesiger Apparat, den man aufgebaut habe. „Heute muss jede Arbeit schriftlich nachgewiesen werden.“ Walter Steffen vom Forum 60plus zweifelt an der Kostenkeule, die im Zusammenhang mit dem Pflegeaufwand immer geschwungen werden. „Eine Statistik weist aus, dass 91 Prozent der 80Jährigen nicht pflegebedürftig sind.“

„Altern in Luzern“ – die Vernetzung ist wichtig
Unterschiedliche Positionen hörte man zum vierjährigen Projekt „Altern in Luzern“, das im Frühjahr 2016 ausläuft. „Die einzelnen Projekte sind positiv. Wir haben jedoch Vorbehalte zur 60-Prozentstelle, die dazu geschaffen worden ist“, sagt Peter With von der SVP. Pensionierte bräuchten keine grosse Unterstützung. Theres Vinatzer (SP) sieht im „Altern in Luzern“ ein gutes Projekt. Es gehe um die Vernetzung von aktiven Menschen  mit anderen. Und um eine Korrektur des defizitären Bildes vom Alter. Für Fabian Reinhard braucht es eine Alterspolitik ohne Clichés. Laura Kopp befürwortet Anschubhilfen durch die Stadt. Beat Bühlmann, der im Frühjahr abtretende Projektleiter von „Altern in Luzern“ berichtete kurz vom erfolgreichen Projekt der Lesementoren, das Schulkinder und Alte beim Lesen zusammenführt. „Da sind Freiwillige am Werk. Die Stadt muss nicht alles selber machen, aber sie kann animieren. Genau dies ist bei den Lesementoren geschehen.“ – Moderator Toni Zwyssig versuchte mehrmals, von den Parteivertreterinnen und Vertretern konkrete Aussagen zu erhalten, doch vieles blieb unbestimmt.

In der Publikumsdiskussion erhielt die Quartierarbeit Unterstützung. Im Tribschen-Langensand sei aus dem Engagement von „Altern in Luzern“ viel Gutes entstanden. „Die Stadt hat Strukturen geschaffen, damit wir aktiv werden konnten“, sagte Heinrich Bachmann, Vizepräsident des Quartiervereins.

Stadtrat und Sozialdirektor Martin Merki blieb das Schlusswort, in dem er auf das Drei-Säulen-Modell der Luzerner Alterspolitik verwies: „Zusammenleben und Mitwirkung – Selbstbestimmtes Wohnen im Quartier – Pflege und Betreuung“. Er sei dankbar für die Arbeit der Quartiervereine und der vielen Freiwilligen. „Ohne sie würde die Stadt nicht funktionieren.“ Beim Bau von neuen Wohnungen stosse die Stadt mangels Landreserven an ihre Grenzen. Wichtig beim Wohnen mit Dienstleistungen: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Leistungen zu den Leuten kommen. Die Hälfte der 90Jährigen in der Stadt lebt immer noch zu Hause.“ Martin Merki betonte noch, dass für das Projekt „Altern in Luzern“ und für das Forum Luzern60plus sehr wenig Geld eingesetzt worden sei. - Mein Nachsatz: Und beides wäre ohne Freiwilligenarbeit gar nicht zu schaffen.
2. Dezember 2015

(Weitere Bilder von der Veranstaltung im Betagtenzentrum Eichhof sind unter der Rubrik Fotogalerien auf der Homepage von Luzern60plus zu finden.)