Claire Brunner-Häfliger: Auf vielen Bühnen zuhause.

Claire Brunner-Häfliger: Ein Leben mit vielen Rollenwechseln

Schon als Klein-Klärli spielte sie im Blauringlager eine Hexe. Jetzt steht die 70-jährige Claire Brunner-Häfliger immer noch auf der Bühne: zum dritten Mal bei der Theatergruppe Greyhounds, die ab 24. Mai im Theaterpavillon «Fünf beste Tage» von Erwin Koch aufführt.Von Hans Beat Achermann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Es sind viele Bühnen, auf denen Claire Brunner-Häfliger gespielt, getanzt, gesungen und auch politisiert hat. Die bisher letzte sind die Bretter im Theaterpavillon im Tribschenquartier. Dort begegne ich Claire während einer Probe zu Erwin Kochs neuem Stück «Fünf beste Tage» zum ersten Mal. Mit einem Dutzend anderer «Greyhounds» singt sie eine schaurig-schöne Ballade vom eben aufgetretenen Tod, der ein letztes Mahl offeriert: «Es Bettmümpfeli vor em ewige Schloof.» Ein heiterer Moment in einem ernsten Stück.

Ein paar Tage später im Adligenswiler Reihenhaus in der Rütlimatte. Tönt fast wie Rütliwiese. Doch von nationalen Männer-Mythen ist Claire Brunner-Häfliger weit entfernt. Aber ein bisschen aufmüpfig und kritisch vorgegebenen Rollen gegenüber war sie schon immer. «Im Gerliswiler Blauringlager spielten wir Hänsel und Gretel. Ich wollte unbedingt die Hexe spielen.» Sie bekam die Rolle. Es war ihre erste. Damals hiess sie noch Klara, eine Claire wurde sie erst durch ihren älteren Bruder, der sie so rief. Sie stammt aus einer «bildungsfernen Arbeiterfamilie», wie sie selber sagt, der Vater war Schichtarbeiter bei den von Moos’schen Eisenwerken, die Mutter Hausfrau. «Ich war ein Landei», erinnert sie sich. Das Gymi war kein Thema, aber sie durfte in die Städtische Töchterhandelsschule, lernte Sprachen. Erst kürzlich hat sie in Perugia ihre Italienischkenntnisse während eines Monats geboostert. Nach der «Töchti» arbeitete sie als Sekretärin unter anderem bei Gübelin, dann bei der Staatskanzlei, wo sie Anlässe für den Regierungsrat mitorganisierte. Sie absolvierte den Wirtekurs und leitete drei Jahre lang ein Altersheim in Willisau.

Die «Pendlerei» wurde ihr dann zu viel, sie fand eine Stelle in Zug bei Consol, einer gemeinnützigen Organisation für Menschen mit Einschränkungen. Dort baute sie das Bistro auf und führte es sieben Jahre. «Es war anstrengend und machte mit der Zeit müde. Oftmals zeigte der Schrittzähler bei Arbeitsschluss 13'000 Schritte an.»

Fast 40 Jahre Extrachor
Das soziale Engagement war ihr immer wichtig. Und immer wieder das Theater: Nach der Hexe, als junge Erwachsene, nahm sie Gesangsunterricht und Stimmbildung, spielte und sang in Root in Operetten. Ganze 38 Jahre war sie Mitglied im Extrachor des Luzerner Theaters, sang bei Opern und Operetten mit, wartete auf kurze Auftritte und erhielt am Schluss 14 Franken für einen ganzen Abend plus Gratiseintrittskarten, von denen sie immer noch zehrt. «Mit 40 Dienstjahren hätte ich vielleicht einen Blumenstrauss gekriegt, deshalb habe ich vorher aufgehört», sagt Claire lachend. Auch wenn die Wertschätzung intern nicht immer sehr gross war – die Leidenschaft am Singen war grösser. Mehrmals in der Woche war sie damals abends nicht zuhause, ihr Mann Hansruedi, Historiker, hütete die beiden Töchter. Auch Hansruedi ist ein gebürtiger Emmenbrückler. Kennengelernt haben sie sich beim Skifahren, als Mitglieder der Skischule Cristallina. Das Singen übrigens lässt sie auch mit 70 nicht los: Seit zwei Jahren singt sie im Corale Pro Ticino di Lucerna.

Soziales Engagement
Neben dem Theater kam noch das politische und zivilgesellschaftliche Engagement auf lokaler und kantonaler Ebene dazu: Schulpflegemitglied, Umweltschutzkommissionsmitglied, Präsidentin der Frauenzentrale, Quartiervereinspräsidentin, Hüterin im Frauenhaus, vier Jahre Kantonsrätin in der SP-Fraktion. «Die Fraktionsarbeit war nicht so mein Ding. Aber es gab mir Selbstbewusstsein, weil ich sah, dass die andern auch nur mit Wasser kochten.» Zudem ist Claire jemand, die gerne bewegt, Sichtbares und Handfestes erzeugt, auch in der Küche. Kochen ist eine weitere Passion: «Ich bin eine altmodische Köchin», gesteht sie. Ein Braten, ein Ossobuco, ein Ragout, «aber es muss nicht immer Fleisch sein», betont sie. Eine weitere Leidenschaft ist das Reisen. Schon während der Familienphase machten sie regelmässig Haustausch, kamen so nach Wien, nach Skandinavien und nach Holland. Ihre besondere Liebe gilt aber Japan, wo sie zweimal längere Reisen machte und wo sie eine gute Freundin hat. Für kürzere Auszeiten haben Brunners eine kleine Wohnung auf Rigi Kaltbad gemietet.

Lust am Rollenspiel
Seit kurzem sind Claire und Hansruedi erstmals Grosseltern, was den Alltag einmal wöchentlich zusätzlich bereichert. «Aber das Theater gibt mir immer wieder die Möglichkeit, wegzutreten vom Alltag, in eine Rolle zu schlüpfen, mit anderen Menschen zusammen zu sein.» Bei den «Greyhounds» sind die Mitglieder keineswegs graue Hunde, sondern – salopp gesagt – bunte Vögel mit Freude am Rollenspiel und auch am Singen. Claire ist jetzt schon bei der dritten Aufführung dabei, «und anfänglich war es schon eine Umstellung vom professionellen Theaterbetrieb am institutionellen Theater hin zur freien Theatergruppe. Früher gab es klare Rollen, jetzt wird entwickelt, alle spielen alle Rollen, wir können Vorschläge einbringen und mitreden.» Als Zuhörer denkt man: Eigentlich ist genau das die Beschreibung ihres Lebens, einer Frau, die viele Rollen gespielt hat und spielt, die gerne mitredet und mitgestaltet und dabei eine jugendliche Unbekümmertheit und Neugier bewahrt hat. Und man staunt: Wie viel doch in einem Leben Platz hat, nebeneinander und nacheinander.

Der Sensenmann möge bitte noch lange warten und noch manches Bettmümpfeli in Theaterform servieren. Claire wird es ihm danken, denn ihre Lust am Spielen und in neue Rollen zu schlüpfen ist ungebrochen.

12. April 2022 – hansbeat.achermann@luzern60plus.ch

Das Stück «Fünf beste Tage» von Erwin Koch in der Regie von Reto Ambauen und mit der Musik von Christov Rolla hat am 24. Mai im Theaterpavillon Premiere.
Infos und Tickets: www.voralpentheater.ch